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Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen

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Muttergottes im Strahlenkranz mit Heiligen und Stifter (aus München?) (Worms · Museum Heylshof)

Worms · Museum Heylshof (Lage anzeigen) → Einzelscheiben des frühen 15. und frühen 16. Jahrhunderts
Basisdaten | Katalog | Indizes | Abbildungen
Basisdaten
ID:

136-2-08-01

Band:

III/1

Katalog Seite(n):

461 ff.

Nr.:

10

Titel:

Muttergottes im Strahlenkranz mit Heiligen und Stifter (aus München?) (Worms · Museum Heylshof)

Anmerkung:

München (Werkstatt Jakob Kistenfiger), Anfang 16. Jh.

H. 55,5 cm, B. 54 cm. – Swarzenski 1927, Nr. 178.

Ältester überlieferter Aufbewahrungsort der Scheibe ist Schloss Reichertshausen (Lkr. Pfaffenhofen a. d. Ilm). Von dort gelangte sie im 19. Jh. in die Sammlung Kuppelmayr in München, wo sie 1896 versteigert wurde und in die Sammlung Heyl überging; zur Frage des ursprünglichen Standorts s.u.

[Zur Frage des ursprünglichen Standorts] Da die im Glasgemälde präsentierten Heiligen, unter denen besonders der Hl. Arsatius als Schutzpatron des geistlichen Stifters auffällt, keinerlei Verbindung zu Reichertshausen erkennen lassen, ist es wenig wahrscheinlich, dass der ursprüngliche Standort der Scheibe in der dortigen Kirche St. Stephanus (oder gar im Schloss selbst) zu suchen ist49. Arsatius war indes Titelheiliger der Kirche des nahe gelegenen, 1492–1495 aufgelösten und mit seinen Reliquien nach München verlegten Kollegiatstifts Ilmmünster50, sodass der Stifter wahrscheinlich unter den Geistlichen in Ilmmünster bzw. München zu finden ist; möglicherweise handelte es sich, wie Paul Frankl vermutet hat, um jenen Dr. iur. utr. Kaspar Barth, der im Jahr 1518 eine ikonografisch und stilistisch eng verwandte Scheibe gestiftet hatte, die um 1961/62 für den Münchener Dom angekauft wurde51. Da diese Scheibe aufgrund ihrer Inschrift und ihres Entstehungsdatums mit einem Glasgemälde identisch sein könnte, das sich, was bislang unbemerkt blieb, 1776 in Ilmmünster befand52, scheidet auch dieser Bau als ursprünglicher Standort definitiv aus. Möglicherweise stammt das in Worms befindliche Glasgemälde ursprünglich aus München (Dom U. L. Fr. oder Pfarrkirche St. Peter?); s. auch Ikonografie, Komposition.

Datierung:

Anfang 16. Jahrhundert

Zuordnung:

Worms · Museum Heylshof » Einzelscheiben des frühen 15. und frühen 16. Jahrhunderts

Katalog

Erhaltung

Die Scheibe weist in den oberen Ecken, am linken Rand, unten links, in der Mitte und rechts Flickstücke und Ergänzungen auf, die, wie auch die asymmetrische Komposition, auf umfängliche Beschneidungen schließen lassen. Ihnen ist wahrscheinlich nicht nur ein Teil der Figur des Hl. Paulus zum Opfer gefallen, sondern auch rahmende, die (schwebende) Astwerkbekrönung tragende Säulchen und eine Inschrift dürften verloren sein. Die roten und weißen Gläser weisen innenseitig Lochfraß auf; ansonsten guter Zustand. Verbleiung 19. Jh.

Ikonografie, Komposition

Von zwei bogenförmig geschwungenen, in der ehemaligen Mittelachse sich überkreuzenden Astwerkbögen überfangen und seitlich wohl ursprünglich von Säulchen gerahmt, wie sie eine Muttergottes-Scheibe in Köln aus derselben Glasmaler-Werkstatt aufweist53, erscheinen vier Heiligenfiguren: im Zentrum die Muttergottes Maria mit dem Kind im Strahlenkranz und Petrus, links Arsatius – in Pontifikalgewand und mit der Ehernen Schlange wie auch einem Kästchen mit den Reliquien der Hll. Drei Könige als Attributen54 –, von einem nicht sicher zu identifizierenden Stifter begleitet, rechts Paulus. Die Figur der Muttergottes folgt dabei dem Vorbild der erwähnten Scheibe in Köln und wurde auch im kleinen Format dargestellt55. Der mit Talar, Mozetta und Birett bekleidete Stifter war, wie bereits erwähnt wurde, aufgrund seiner Verwandtschaft mit der Stifterfigur des Dr. iur. utr. Kaspar Barth auf der inschriftlich 1518 datierten Münchener Scheibe vielleicht mit ebendiesem Geistlichen identisch. Kaspar Barth war Kanoniker (1503–1510) und Dekan (1510–1532) des Stifts U. L. Fr. in München sowie Kaplan der Sendlinger-Messe an der Pfarrkirche St. Peter, wo seine Familie auch ein eigenes Benefizium besaß56.

Ornament, Farbigkeit, Technik

Die Figuren stehen auf einem braun und silbergelb geschachten, mit ausradierten Blattkreuzen gefüllten Fliesenboden vor einem stilisierten dunkelblauen, mäandrierenden, mit ausradierten Sternen durchsetzten Wolkenhintergrund; die Äste und Blätter der Bekrönung sind graubraun und stehen ihrerseits auf rötlich braunem, hell gepunktetem Grund. In den figürlichen Partien beschränken sich die Farben auf Weiß- und Grautöne, Hellblau, Rot und Grün sowie viel Silbergelb; lediglich der Schaft des Schwertes des Hl. Paulus ist rötlich braun. Vergleichsweise spärliche Kontur- und Positivmalerei bei ausgiebigem Einsatz von Negativtechniken; rückseitig Schwarzlotmalerei zur Unterstützung der Schattenlagen sowie Silbergelb und Eisenrot(?).

Stil, Datierung

Ausgehend von der oben erwähnten Muttergottes-Scheibe in Köln, die aufgrund ihrer Inschrift für den zwischen 1496 und 1532 in München nachweisbaren Glaser Jakob Kistenfiger gesichert ist, lässt die Wormser Scheibe sich ohne Schwierigkeiten ebenso in das Werkstatt-Œuvre einordnen wie die 1518 datierte Scheibe mit der Hl. Anna Selbdritt, dem Hl. Arsatius und dem Stifter Kaspar Barth in München; da Letztere bereits eine moderne Renaissancerahmung aufweist, dürften die Scheiben in Köln und Worms mit ihren noch spätgotischen Astwerkbekrönungen früher, d.h. Anfang 16. Jh. zu datieren sein57.

Bibliografie

Kat. München, Slg. Kuppelmayr, 1896, S. 15, Nr. 247, Taf. V (Beschreibung); Swarzenski 1927, S. 46, Nr. 178, Taf. LX (dto.; »Süddeutsch. Ende des 15. Jahrhunderts); Frankl 1956, S. 113, 117 (Beschreibung des Erhaltungszustandes und Vergleich mit der – später nach München gelangten – Scheibe in New York; Zuschreibung an Jakob Kistenfiger und Datierung »nach 1518«; Identifizierung des Stifters: »vielleicht auch Bart«); Lymant 1982, S. 180 (Erwähnung im Zusammenhang mit der Kölner Scheibe); Fischer 1997, S. 36, 51, 78, bes. S. 94f. (ausführliche Bearbeitung der Scheibe mit Datierung um 1500–1510).

Bildnachweis:

CVMA RT 13350, Großdia RT 05/163

Indizes
Iconclass:

11F6 = die Madonna (d.h. Maria mit Kind) von anderen Personen begleitet oder umgeben

Sachbegriffe:

Heilige · Heiliger · Wolken · Sterne · Äste · Stifter · Birette · Muttergottes

Personen:

Maria <von Nazareth> · Petrus <Apostel> · Paulus <Apostel, Heiliger> · Arsatius <Heiliger>

Abbildungen

Bildnachweise

  1. Muttergottes im Strahlenkranz mit Heiligen und Stifter. Worms, Museum Heylshof Nr. 10. München (Werkstatt Jakob Kistenfiger), Anfang 16. Jahrhundert – CVMA Band III/1, S. 462 Fig. 433.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rüdiger Tonojan)
  2. Muttergottes im Strahlenkranz mit Heiligen und Stifter (aus München?): ES [= Erhaltungsschema] Worms Heylshof Nr. 10 – CVMA Band III/1, S. 463 Fig. 434.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rainer Wohlrabe)
Empfohlene Zitierweise
„Muttergottes im Strahlenkranz mit Heiligen und Stifter (aus München?) (Worms · Museum Heylshof)“, in: CVMA Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/cvmahessen/id/136-2-08-01> (aufgerufen am 03.05.2024)