Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen

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Christus am Kreuz (Marburg · Universitätsmuseum)

Marburg · Universitätsmuseum (Lage anzeigen) → [Unbekanntes Fenster]
Basisdaten | Katalog | Indizes | Abbildungen
Basisdaten
ID:

321-4-02-01

Band:

III/3

Katalog Seite(n):

461

Nr.:

35

Titel:

Christus am Kreuz (Marburg · Universitätsmuseum)

Anmerkung:

H. 107 cm, B. 41 cm; rechtes Handstück: H. 12,5 cm, B. 16 cm.

Inv. Nr. 3172.

Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Die Kreuzigung war im Besitz des Marburger Glasmalers Fritz Schultz, der sie gegen Ende des 19. Jh. im Zuge von Restaurierungsmaßnahmen aus einem unbekannten Kirchenbau innerhalb Hessens ausgeschieden hatte. LOTZ berichtet in seinem Inventar von einer Kreuzigungsdarstellung in einem der dreibahnigen Chorfenster der Nikolaikirche zu Korbach, die annähernd gleiche Höhenmaße besessen haben dürfte2. Da Schultz um 1900/10 nachweislich für die Kirchen in Korbach tätig war, wäre eine Herkunft aus dem Chor der gegen 1450/60 erbauten Nikolaikirche durchaus vorstellbar.

Breite:

41.00 cm

Höhe:

107.00 cm

Datierung:

um 1450-1460

Zuordnung:

Marburg · Universitätsmuseum » [Unbekanntes Fenster]

Katalog

Inschrift

Auf dem Balken der Kreuztitulus in gotischer Majuskel: • I • N • R • I •

Erhaltung

Die drei mittleren Felder der ursprünglich aus fünf Einzelscheiben bestehenden Kreuzigungsdarstellung wurden 1986 von Glasmaler E. J. Klonk zusammengebleit. Die beiden in die Seitenbahnen ragenden Balkenenden mit den Händen befinden sich heute in den Depoträumen, wobei das rechte Teilstück eine moderne Ergänzung darstellt. Auf dem Inkarnatglas innenseitig gleichmäßig verteilter Lochfraß. Hier vor allem in Höhe der einstigen Eisenarmierung dunkle Ablagerungen mit schollenartigem Ausbruch der Malschicht. Einige Flickstücke und Sprünge.

Ikonographie, Farbigkeit

Vor einer recht ungewöhnlichen alpinen Bergkulisse aus hintereinander gestaffelten buntfarbigen Gipfeln hängt Christus an einem schweren, leicht nach links ausgerichteten Kreuz. Die grüne Rasenbank ist mit menschlichen Knochen, darunter ein makabrer Schädel, übersät. Gelber, blau eingefasster Kreuznimbus mit maßwerkverzierten Strahlen; Dornenkrone grün. In den Seitenbahnen werden einst die heute verlorenen Figuren von Maria und Johannes zu sehen gewesen sein.

Technik, Stil, Datierung

Ein hervorstechendes Merkmal dieser Arbeit ist ihre dekorative, fast holzschnittartige Bildauffassung. Die Zeichnung bleibt auf eine einfache Charakterisierung der Formen mittels weniger Linien beschränkt, wobei größere Flächen wie der Hintergrund oder die Kreuzstämme mit etwas naiv anmutenden Flächenmustern (Punktmuster und Holzmaserung) überzogen wurden. Die Figur besitzt stark expressive Züge: Das Haupt hängt schwer herab, die einzelnen Rippen treten markant am Brustkorb hervor, der durch gesonderte Bleieinfassung eine zusätzliche Akzentuierung erfährt. Christus trägt ein straff um die Hüften gespanntes Lendentuch, dessen Zipfel im Wind weht. Der Gekreuzigte ist von vergleichsweise gedrungener Statur und unterscheidet sich darin von jenen spinngliedrigen, überlängten Körpern Conrads von Soest, die in den ersten Hälfte des 15. Jh. für lange Zeit als mustergültig rezipiert wurden. Demgegenüber liegen im Kopftyp aber noch Gestaltungsformen des Weichen Stils vor, wie sie sich zu einem frühen Zeitpunkt im Wernigeroder Altar (Darmstadt, HLM, um 1390/95) manifestieren, dessen Entstehung im östlichen Teil Niedersachsens anzunehmen ist3. Kennzeichnend hierfür sind eine kantige, zum Kinn spitz zulaufende Gesichtsform. Die Ohrmuscheln stehen plastisch ab, die Augenlider sind stark angeschwollen, die Lippen kräftig ausgebildet. Nur an den Kieferknochen sprießt der Bart und bildet an der Kinnspitze zwei Lockenzwirbel aus. Dass hierin böhmische Einflüsse zum Tragen kommen, darauf deutet die Gegenüberstellung mit einer Kreuzigungsscheibe des frühen 15. Jh. hin, die sich heute im Prager Nationalmuseum befindet4. In der holzschnittartigen Gesamtwirkung wie in der Gesichtsbildung ergeben sich durchaus Zusammenhänge zur Marburger Darstellung. Parallelen, insbesondere hinsichtlich der plakativen Ornamentierung des Bildes, bestehen überdies zu den Werken des Ahnaberger Meisters5. | Nordhessen oder Niedersachsen, um 1450/60.

Bildnachweis:

CVMA JJ 12827 (Mittelstück), JJ 471/16 (MF) Großdia JJ 01/196, 01/260 (Hände)

Indizes
Iconclass:

73D66 = Christus am Kreuz (allein, ohne Zuschauer) · 11D351 = der leidende Christus (mit Dornenkrone, den Kopf in der Regel seitwärts gedreht)

Sachbegriffe:

Berge · Heiligenscheine · Knochen · Kreuze · Majuskeln, gotische · Nimben · Inschriften

Personen:

Klonk, Erhardt Jakobus · Jesus Christus

Abbildungen

Bildnachweise

  1. Christus am Kreuz. Ehemaliger Standort unbekannt. Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 35. Nordhessen oder Niedersachsen, um 1450/60. – CVMA Band III/3, S. 650 Abb. 358 (Ausschnitt).
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Jean Jeras)
  2. Christus am Kreuz. Ehemaliger Standort unbekannt. Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 35. Nordhessen oder Niedersachsen, um 1450/60. – CVMA Band III/3, S. 650 Abb. 358 (Ausschnitt).
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Jean Jeras)
  3. Christus am Kreuz: ES [= Erhaltungsschema] Museum Nr. 35 – CVMA Band III/3, S. 461 Fig. 580.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rainer Wohlrabe)
  4. Christus am Kreuz. Ehemaliger Standort unbekannt. Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 35. Nordhessen oder Niedersachsen, um 1450/60. – CVMA Band III/3, S. 650 Abb. 358.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Jean Jeras)
  5. Christus am Kreuz. Marburg, Universitätsmuseum, Nr. 35 (Ausschnitt). Um 1450/60. – CVMA Band III/3, S. 461 Fig. 581.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Jean Jeras)
Empfohlene Zitierweise
„Christus am Kreuz (Marburg · Universitätsmuseum)“, in: CVMA Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/cvmahessen/id/321-4-02-01> (aufgerufen am 03.05.2024)