Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen

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Vierpassscheiben mit Passionsszenen (Kassel · Hessisches Landesmuseum)

Kassel · Hessisches Landesmuseum (Lage anzeigen) → [Unbekanntes Fenster]
Basisdaten | Katalog | Indizes | Abbildungen
Basisdaten
ID:

313-1-05-01

Band:

III/3

Katalog Seite(n):

277 ff.

Nr.:

17, 18

Titel:

Vierpassscheiben mit Passionsszenen (Kassel · Hessisches Landesmuseum)

Anmerkung:

Süddeutschland (Schwaben?) oder Schweiz, um 1490–1500.

Durchmesser 28/28,5 cm (37 cm mit modernen Randstreifen). Inv. Nr. G 748, G 749

Breite:

28.50 cm

Höhe:

28.50 cm

Datierung:

um 1490-1500

Zuordnung:

Kassel · Hessisches Landesmuseum » [Unbekanntes Fenster]

Katalog

Erhaltung

Das zentrale Schildfeld jeweils modern, im zweiten Vierpass auch der linke Pass mit der Höllenfahrt Christi. Die Ergänzungen sind zwei unterschiedlichen Restaurierungen zuzuordnen. Die ältere, sicherlich noch mit dem 19. Jahrhundert zu verbindende Kreuzigungsdarstellung zeigt sich gegenüber den jüngeren Hinzufügungen qualitativ hochwertiger und stilistisch einfühlsamer. An den originalen Gläsern ist die Bemalung ausgezeichnet erhalten, lediglich auf den grünen Zwickeln vereinzelt Schwarzlotausbrüche. Kratzspuren auf den außenseitigen Halbtonaufträgen, aber sonst keinerlei Korrosion.

Ikonographie

Auf beide Rundscheiben verteilt ist die Passion Christi in insgesamt zehn Bildern wiedergegeben. Im Mittelschild befinden sich heute die erneuerten Hauptszenen mit Ölberg und Kreuzigung, in den kleineren Pässen folgen rechts gegen den Uhrzeigersinn Christus vor Herodes, Verspottung, Vorführung und Kreuztragung (Nr. 17) sowie, diesmal im Uhrzeigersinn, Höllenfahrt Christi (neu), Beweinung, Grablegung und Auferstehung (Nr. 18); die beiden letztgenannten Szenen scheinen hier aus kompositionellen Gründen vertauscht worden zu sein. Anstelle der neuen Mittelbilder könnten sich ursprünglich, wie bei Vierpassscheiben ohnehin die Regel, Familienwappen befunden haben, die notwendige Kreuzigung hätte dann die Position der modernen Höllenfahrtsszene eingenommen.

Technik, Stil, Datierung

Die Form der Vierpassscheiben begegnet im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts zuerst am Mittelrhein im Umkreis des Hausbuchmeisters8. Zumeist sind in den Passlappen profane und heitere Genreszenen zur Darstellung gebracht. Entsprechend wird man auch in den Stuben wohlhabender Bürgerhäuser den ursprünglichen Bestimmungsort dieser auf Nahsicht konzipierten Kabinettscheiben vermuten dürfen. Die beiden Kassler Stücke sind zwar einem sakralen Gegenstand gewidmet, doch muss dies nicht notwendig auf ihre Aufstellung innerhalb eines Kirchengebäudes verweisen, ebenso wäre eine Verwendung im Rahmen einer privaten Hauskapelle denkbar. Seit dem späten 15. Jahrhunderts entwickelte sich die Vierpassscheibe in Süddeutschland zu einer beliebten, offenbar auf Vorrat produzierten Schmuckform. Für die Nürnberger Hirsvogelwerkstatt lieferten damals so bedeutende Maler wie Dürer und Kulmbach eine Vielzahl von Entwürfen9. Allein die Auferstehungsszene kann auf die Kenntnis eines entsprechenden Kupferstiches von Martin Schongauer aus den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts zurückgeführt werden, für alle weiteren Darstellungen lassen sich keinerlei druckgraphische Vorlagen mehr nachweisen. Damit sind freilich noch keine Anhaltspunkte für eine Entstehung der Scheiben am Oberrhein gewonnen, erfreuten sich doch die Druckerzeugnisse allgemein breiter Rezeption. Trotz der insgesamt etwas hölzernen Ausführung lassen sich über die gestalterischen Charakteristika vielleicht Hinweise zur Herkunft der Scheiben gewinnen. Bezüglich der allgemeinen Ikonographie oder auch einzelner modischer Details, zur der auch die Vielfalt unterschiedlichster Kopfbedeckungen gehört, schwingen verstärkt niederländische Einflüsse mit, die an die etwas steifen Figuren Hans Holbeins d.Ä. erinnern. Der Richter in der Vorführungsszene der Grauen Passion ist etwa im Typ mit der entsprechenden Figur auf der Kabinettscheibe verwandt10. Die männlichen Figuren tragen um die betont breitbackigen Gesichter bevorzugt lange Haare mit nach unten sich trapezfömig verbreiternden Korkenzieherlocken und erinnern darin an Physiognomien, wie sie gerade auf spätgotischen Wappenscheiben der Schweiz häufiger begegnen; so auf zwei Standesscheiben von Bern und Schwyz, beide in der Sammlung des Schweizerischen Landesmuseums in Zürich11. Zwischen Schwaben und dem östlichen Teil der Schweiz südlich des Bodensees bestanden in spätmittelalterlicher Zeit enge künstlerische Verbindungen; auffallend viele Künstler im Züricher Bürgerbuch stammen etwa aus Nördlingen, Ulm oder Ravensburg12.

Farbigkeit, Ornament

Die Konturen der Zeichnung wurden mit dünnem Pinselstrich angelegt, aus den trockenen, beidseitig aufgebrachten Braunlotüberzügen sind Lichter gestupft und gewischt, feine Lichtkanten auch mit der Nadel herausradiert. Die Bildhintergründe sind dabei bevorzugt schwarz deckend angelegt und verleihen den Szenen so eine nächtliche Atmosphäre. Der Silbergelbauftrag bleibt überwiegend auf die Akzentuierung von Nimben und Kreuz beschränkt. In reiner Negativtechnik wurde das Rankenornament mit nelkenähnlichen Blüten auf die grünen Zwickelstücke aufgebracht.

Bildnachweis:

CVMA JJ 12854f., 12856 (Detail), MF 473, Großdias JJ 01/220f., 01/222 (DA)

Indizes
Iconclass:

73D = die Passion Christi

Sachbegriffe:

Kreuzigungen · Passionsszenen · Ranken · Vierpässe · Ölberge

Personen:

Herodes Antipas<Galiläa, Tetrarch>

Abbildungen

Bildnachweise

  1. Vierpass-Rundscheibe mit Passionsszenen. Mitte: Gebet am Ölberg (neu); rechts: Christus von Herodes; oben: Dornenkrönung; links: Ecce Homo; unten: Kreuztragung. Kassel, HLM, Nr. 17. Süddeutschland oder Schweiz, um 1490-1500. – CVMA Band III/3, S. 278 Fig. 334.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Jean Jeras)
  2. Vierpassscheiben mit Passionsszenen: ES [= Erhaltungsschema] Nr. 17 – CVMA Band III/3, S. 278 Fig. 336.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rainer Wohlrabe)
  3. Vierpass-Rundscheibe mit Passionsszenen. Mitte: Kreuzigung (neu); links: Höllenfahrt (neu); oben: Beweinung; rechts: Grablegung; unten: Auferstehung. Kassel, HLM, Nr. 18. Süddeutschland oder Schweiz, um 1490-1500. – CVMA Band III/3, S. 278 Fig. 335.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Jean Jeras)
  4. Vierpassscheiben mit Passionsszenen: ES [= Erhaltungsschema] Nr. 18 – CVMA Band III/3, S. 278 Fig. 337.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rainer Wohlrabe)
Empfohlene Zitierweise
„Vierpassscheiben mit Passionsszenen (Kassel · Hessisches Landesmuseum)“, in: CVMA Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/cvmahessen/id/313-1-05-01> (aufgerufen am 02.05.2024)