Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Mittelalterliche Glasmalereien in Hessen

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Urteil Salomos zwischen Ornamentbahnen (Oppenheim · Katharinenkirche)

Oppenheim · Katharinenkirche (Lage anzeigen) → Langhausfenster nord X
Basisdaten | Katalog | Indizes | Abbildungen
Basisdaten
ID:

134-1-07-01

Band:

III/1

Katalog Seite(n):

335 f.

Nr.:

1–5a–f

Titel:

Urteil Salomos zwischen Ornamentbahnen (Oppenheim · Katharinenkirche)

Anmerkung:

H./B.: 1–4a–f: 64–66,5/63,5–65,5 cm; 5a, c, d, f: 57–60/64,5–65,5 cm; 5b, e: 93,5 bzw. 91,5/64,5–65,5 cm.

Datierung:

um 1340/50

Zuordnung:

Oppenheim · Katharinenkirche » Langhausfenster nord X

Katalog

Inschrift

In 3b–e durchlaufend die von Müller 1823–1829, S. 59 mit Bl. 27 überlieferte, komplett erneuerte Inschrift: <DAS / ERSTE · BVC / H · TE · KVNIG / SALOMONS ·> (vgl. Fig. 231).

Erhaltung

Wenn das Fenster tatsächlich, wie Müller 1823–1829, S. 59, schrieb, zu seiner Zeit noch »ziemlich wohl erhalten« war, dann wurde es 1843–1845 von der Werkstatt Usinger in den unteren Partien auf Kosten seiner originalen Glassubstanz massiv erneuert, wenn auch genau nach der Vorgabe Franz H. Müllers (Fig. 231). Neun Scheiben, darunter alle Felder der Zeile 1, wurden damals ganz neu geschaffen, und auch die figürliche Komposition in 2/3b–e ist weitgehend eine Neuschöpfung des 19. Jh. Einen größeren Anteil an mittelalterlichen Gläsern weisen nur die Ornamentfelder 2a, 4/5a und 2–5f sowie die Architekturbekrönungen in 4/5b und 4/5d+e auf, wobei die originalen grünlich weißen Gläsern der Ornamentfelder 2–4f aufgrund der schlechten Haftung des Schwarzlots zum Großteil retuschiert worden sind (2–4f). Die Ergänzungen der 1960/70er-Jahre beschränken sich weitgehend auf den Randbereich einzelner Scheiben. Wo sie inhaltlich falsch waren wie z.B. in der Inschrift (3b–e), wurden sie 1991–1993 korrigiert252; ansonsten wurden Mängel wie die ursprünglich liegenden, damals stehend eingebleiten Passformen in 1/2a und 2f belassen.

Ikonografie, Rekonstruktion, Komposition

Da das Ornamentmuster in den Bahnen a und f ebenso gesichert ist, wie es die bekrönenden Architekturen über den Nischen der Bahnen b–e sind, ist Müllers Überlieferung einer auf nur vier Bahnen verteilten Komposition vertrauenswürdig (vgl. Fig. 231), auch wenn die Darstellung selbst anhand der geringen figürlichen Reste nicht mehr zu verifizieren ist; erhalten sind nur Teile des Throns mit der Figur des Königs Salomo (2b), die flehenden Hände der vor Salomo knienden Mutter (3c) sowie Unterschenkel, Hände und Schwertteile des Henkers (2/3d). Ob die Architektursockel mit großen stehenden Vierpässen, wie sie gebaut in Reihung auch im Couronnement des Fensters begegnen, von Müller richtig wiedergegeben bzw. rekonstruiert worden sind oder ob an ihrer statt nicht eher »Hinweise auf den oder die Stifter des Fensters zu erwarten« wären, wie Ivo Rauch vermutet hat253, ist unbekannt. Dargestellt ist das Urteil König Salomos nach III Rg 3,16–28. Vor den mit Krone und Szepter links thronenden König Salomo sind zwei Frauen getreten, deren eine ihr Kind getötet und heimlich gegen das Kind ihrer Hausgenossin getauscht hat, sodass sie nun beide Anspruch auf das lebende Kind erheben. Um die wahre Mutter zu erkennen, befiehlt Salomo, das Kind zu teilen, das schon auf dem Arm des Henkers sitzt. Während die rechts stehende Frau dem Urteil zuzustimmen scheint, kniet die Frau links vor dem König nieder und bittet um das Leben des Kindes, woraufhin Salomo es ihr als der wahren, liebenden Mutter zuspricht. Die Verteilung der Figuren auf vier Bahnen wie auch deren Haltung und Gestik entspricht so exakt der Komposition des Salomonischen Urteils im Langhaus-Obergaden des Straßburger Münsters (S VI [Baie 212]), dass in ihr das unmittelbare Vorbild der etwas jüngeren Oppenheimer Darstellung zu erkennen ist (Fig. 238)254. Um Letztere in dem sechsbahnigen Fenster unterzubringen, wurden die seitlichen Bahnen mit Ornamenten gefüllt, deren Architektur- und Blattformen im Couronnement wiederbegegnen. Indem dort der bekrönende Fünfpass mit einer Vera Icon besetzt ist (3CD), ist die Darstellung zugleich typologisch als Präfiguration des Jüngsten Gerichts auszulegen255. Bekrönt werden die einzelnen Figuren von auf Rundbögen ruhenden verräumlichten Aufbauten, die in den Bahnen b+e und c+d jeweils identisch, d.h. hier wie dort nach einem Karton gestaltet worden sind. Der erste, höhere Typ in 4/5b+e ist zweigeschossig und besteht aus einem halbkreisförmigen, optisch vor- und zurückspringenden, aus hellen kastenartigen Gehäusen, Säulchen und Hängekonsolen zusammengesetzten unteren Geschoss mit abschließendem Zinnenkranz, hinter dem im oberen Geschoss ein mit Krabben besetzter, von zwei über Eck gestellten luftigen Türmchen begleiteter Helm aufragt; der zweite, weniger hoch aufragende Typ in 4/5c+d besteht aus einem polygonalen, von Fialen flankierten Unterbau mit Maßwerköffnungen, auf dem mittig ein runder Turm mit Klappladen und seitlich zwei auf Säulchen stehende Gehäuse mit Maßwerköffnungen stehen. Zur Herkunft der Motive s.o. S. 322.

Ornament, Farbigkeit

Der anhand weniger, insbesondere in 4b–e erhaltener Reste gesicherte Hintergrund der figürlichen Darstellung ist im Rhythmus a-b-a-b gestaltet; er weist ein hell- und dunkelblau kariertes bzw. ein rot und violett kariertes Muster aus Vierpässen mit Blattfüllungen auf (Muster III,7). In der vierten Zeile wechselt der Hintergrund – nun aus auf der Spitze stehenden Quadraten mit Kreuzblattfüllung bestehend – nach Violett (4b+c) bzw. Grün (4d+e), in der fünften Zeile nach Grün (5b+c) bzw. Violett (5d+e). Die Farbgestaltung der rahmenden Architektur folgte demgegenüber ursprünglich, wie die noch originalen Rundbögen und die auf ihnen ruhenden Bekrönungen erkennen lassen, dem Rhythmus a-b-b-a, indem – abweichend von der Überlieferung Müllers (Fig. 231) – die Bahnen b und e gelb/weiß, die Bahnen c und d weiß/gelb gestaltet waren256. Dieses übergreifende Konzept der Symmetrie setzte sich in den mit identischen Ornamenten (Typus E; s. S. 324) versehenen Außenbahnen fort. Da auch in Letzteren die gelben und weißen Gläser für das Gerüst aus Kreisen und Halbkreisen bzw. die Blätter in den zentralen Rosetten und rahmenden Randstreifen vorherrschen, während Rot und Blau – im Wechselspiel mit den Hintergründen der figürlichen Darstellung – lediglich farbige Akzente setzen, legen sich die licht gestalteten Partien, also Ornamente und Architekturbekrönungen, wie ein Band um die Darstellung im Zentrum mit ihren großflächig-dunklen Hintergründen, die die einzelne Figur betonen.

Bildnachweis:

CVMA G 9207–9236 (vR), W 9860–9890 (nR), Großdia W 154–158 (nR)

Indizes
Iconclass:

71I325 = Salomo fällt das Urteil: er befiehlt einem Soldaten, das lebende Kind in zwei Stücke zu zerteilen · 48A98(+2)

Sachbegriffe:

Inschriften · Architekturbekrönungen · Throne · Mütter · Henker · Kronen · Schwerter · Kinder · Kreuzblätter · Quadrate

Personen:

Salomon <König von Israel>

Abbildungen

Bildnachweise

  1. Urteil Salomos, linke Hälfte. Lhs. n X, 2-4b/c. Mittelrhein, um 1340/50 (Zustand 1959) – CVMA Band III/1, S. 596 Abb. 173.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Dietrich Rentsch)
  2. Urteil Salomos zwischen Ornamentbahnen: ES [= Erhaltungsschema] Lhs. n X [hier: 1-5a-f] – CVMA Band III/1, S. 338 Fig. 254.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rainer Wohlrabe)
  3. Blattrosette. Oppenheim, Katharinenkirche, Lhs. n X, 3f. Mittelrhein, um 1340/50 – CVMA Band III/1, S. 325 Fig. 245.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rainer Wohlrabe)
  4. Ornamentbahn. Lhs. n X, 4f. Mittelrhein, um 1340/50 – CVMA Band III/1, S. 595 Abb. 172.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rainer Wohlrabe)
  5. Ornamentbahn. Lhs. n X, 5f. Mittelrhein, um 1340/50 – CVMA Band III/1, S. 595 Abb. 172.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Rainer Wohlrabe)
  6. Urteil Salomos, rechte Hälfte. Lhs. n X, 2-4d/e. Mittelrhein, um 1340/50 (Zustand 1959) – CVMA Band III/1, S. 597 Abb. 174.
    © Corpus Vitrearum Deutschland / Freiburg i. Br. (Dietrich Rentsch)

Langhausfenster nord X: weitere Scheiben

Empfohlene Zitierweise
„Urteil Salomos zwischen Ornamentbahnen (Oppenheim · Katharinenkirche)“, in: CVMA Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/cvmahessen/id/134-1-07-01> (aufgerufen am 06.05.2024)