Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe
Schwere Schäden in der Murhardschen Bibliothek bei Luftangriff auf Kassel, 22.-23. Oktober 1943
Bei dem bislang schwersten Luftangriff auf die Stadt Kassel, bei dem die britische Royal Air Force mit mehreren Hundert schwerer viermotoriger Bomber in kürzester Zeit die historische Altstadt zerstört, einen verheerenden Feuersturm entfacht und schätzungsweise mehr als 10.000 Menschen sterben, wird auch die im 19. Jahrhundert von den liberalen Privatgelehrten Friedrich und Karl Murhard gestiftete Murhardsche Bibliothek schwer beschädigt und verliert etwa 60 Prozent ihrer Bestände (ca. 174.000 Bände). Die oberen Stockwerke sowie das Dachgeschoss werden von zahlreichen Brandbomben und Phosphorkanistern sowie einigen Sprengbomben getroffenen.
1942 besaß die Murhardsche Bibliothek rund 241.000 Bände, darunter 1.576 alte Handschriften und 9.225 Karten und Pläne.1 Der im hinteren Gebäudeteil des 1905 bezogenen Baus am Brüder-Grimm-Platz untergebrachte fünfstöckige Magazinbereich brennt in den oberen drei Stockwerken vollständig aus. Die Fächer Wirtschafts-, Staats- und Rechtswissenschaften, Naturwissenschaften und Technik, Kunstwissenschaften und die Zeitschriftenabteilung werden dabei vollständig ein Raub der Flammen.
Von den 1943 vorhandenen etwa 295.000 Bänden verblieben nach dem Angriff etwa 121.000 mit den Schwerpunkten Geschichte, Literatur, Philosophie und Pädagogik, sowie die Biographien und die gesamte Lesesaalliteratur.2 Rund 100.000 Bände der Murhardschen Bibliothek werden in den letzten Kriegsjahren ausgelagert und an zahlreiche Standorte außerhalb Kassels verlegt, darunter die Klosterkirche in Haina und ein abseits gelegenes Rittergut in Waldeck. Bei dem Luftangriff am 22./23. Oktober wird auch die Neue Galerie getroffen, in der die geretteten Bestände der in der Nacht vom 8. auf den 9. September 1941 zerstörten Landesbibliothek untergebracht sind. Auch hier wird ein großer Teil der aufbewahrten Sammlungen vernichtet, darunter zahlreiche zwischenzeitlich neu beschaffte Bücher und die Bibliothek des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde. Die Murhardsche Bibliothek war im Januar 1943 mit einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Oberpräsidium von Hessen-Nassau und der Stadt Kassel organisatorisch in die Landesbibliothek (im Gebäude der Murhardschen) integriert worden.
(KU)
- Belege
- HeBIS Leyh, Georg: Die deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken nach dem Krieg, Tübingen 1947.
- Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Österreich und Europa (Fabian-Handbuch) Hrsg. von Bernhard Fabian. Digitalisiert von Günter Kükenshöner, Hildesheim 2003. [via Wissenschaftsportal b2i – Bibliotheks-, Buch- und Informationswissenschaften]: Gesamthochschul-Bibliothek – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel / von peter Vogel (Stand: Mai 1991) (Stand: 06.09.2012).
- Halle, Axel: Die Murhardsche Bibliothek und deren Entwicklung bis ins 21. Jahrhundert, KOBRA – Dokumentenserver der Universität Kassel [Die Brüder Murhard: Leben für Menschenrechte und Bürgerfreiheit. Katalog zur Ausstellung im Stadtmuseum Kassel 30. November 2003 bis 18. April 2004. – Kassel 2003, S. 252-273]
- Empfohlene Zitierweise
- „Schwere Schäden in der Murhardschen Bibliothek bei Luftangriff auf Kassel, 22.-23. Oktober 1943“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4818> (Stand: 15.3.2021)
- Ereignisse im September 1943 | Oktober 1943 | November 1943
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