Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Carl Hoos, Schulchronik von Niederaula

Abschnitt 4: Bahnhofswachen in Hersfeld, Liebesgaben, Ernte

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Jetzt blieb keiner zurück, jeder wollte helfen an seinem Teil. Wer nicht mit hinaus ziehen konnte, machte sich zu Hause nützlich. Überall regten sich die Kräfte des Volkes. Liebes tun, unseren ausziehenden Kriegern Liebes erweisen.

Auf dem Bahnhof zu Hersfeld setzte eine rege Tätigkeit ein. Die Truppen wurden verpflegt und gestärkt. Überall auf den Dörfern wurden Gaben gesammelt, und sie flössen reichlich, auch hier in Niederaula. Jeder gab und gab gern. Die von Herrn Pfr. Schröder veranstaltete Geldsammlung im Kirchspiel Niederaula ergab den Betrag von M 1.300. Ungefähr die Hälfte dieses Betrages wurde an das Rote Kreuz abgeführt.

Die Schulmädchen sorgten für Wollsachen. Fleißig wurden Pulswärmer, Kniewärmer, Strümpfe, Kopfschützer und Ohrenschützer gestrickt. Das Garn wurde von den Kindern größtenteils selbst gekauft. In zwei von mir veranstalteten Schülersammlungen kamen 211 M. ein. Für diesen Betrag kauften wir Wolle. Außerdem wurde von den Schulkindern noch Garn verkauft, welches uns von der Darlehenskasse (Herrn Schuchhard) und vom Flottenverein (Frau Oberförster Tilow) zur Verfügung gestellt wurde. Im ganzen wurden angefertigt bis zum 1. Jan. 1915: 25 Paar Hemden, 2 Paar Unterhosen, 109 Paar Strümpfe, 12 Leibbinden, 101 Paar Pulswärmer, 35 Paar Kniewärmer, 22 Paar Fußlappen, 6 Taschentücher, 46 Kopfschützer, 12 Paar Ohrenklappen. Die Kinder sind sehr eifrig, wollen sie doch auch an ihrem Teil beitragen zum Siege des geliebten Vaterlandes. Auch sonst versuchten sich unsere Kinder nützlich zu machen. Besonders tätig waren sie beim Einbringen der Ernte von 1914. Die [S. 45] Oberklasse hatte 5 Wochen Ernteferien, fehlte doch in vielen Familien die Arbeitskraft des Vaters oder der älteren Brüder. Im ganzen hatte die Oberklasse vom 5.Juli bis 20. September frei. Die Ernte war im allgemeinen hier eine Gute, wenn auch die Quantität hier und da geringer war als in sonstigen Jahren, so war die Qualität meist vorzüglich, eine Folge des überaus günstigen Wetters zur Zeit der Einbringung des Erntesegens. Trotz der fehlenden Arbeitskräfte ging die Ernte schnell und fast mühelos (dies gilt besonders von der Heuernte) vonstatten. Und eine gute Ernte tat uns bitter Not. Müssen die Vorräte doch reichen für ein Volk von 40 Mill., wo doch Deutschland (nach Verhältnissen in Friedenszeiten berechnet) 40 höchstens 50 Millionen Menschen ernähren kann. Der Weizen war nur mittel, da viele Weizenäcker durch Frost gelitten hatten und umgepflügt werden mußten.


Empfohlene Zitierweise: „Carl Hoos, Schulchronik von Niederaula, Abschnitt 4: Bahnhofswachen in Hersfeld, Liebesgaben, Ernte“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/40-4> (aufgerufen am 06.05.2024)