Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Albert Schorn, Kriegs-Chronik der Stadt Camberg, 1914-1921

Abschnitt 2: Ursachen des Kriege, Attentat von Sarajewo

[5-6]
1914.

Die Ursachen des Weltkriegs liegen Jahrzehnte zurück. Das Deutsche Reich war ringsum von neidischen Nachbarn umgeben. Frankreich konnte die Niederlage nicht vergessen, die es 1870/71 erlitten hatte. Es sah voll Eifersucht den Aufstieg Deutschlands und wartete aus den Augenblick, da es Rache üben und Elsaß-Lothringen wiedergewinnen könnte. Rußland wurde leider durch eine verfehlte deutsche Politik dem Erbfeind in die Arme getrieben. Die russische Regierung strebte danach, alle Völker slavischer Rasse unter dem Szepter des Zaren zu vereinigen. Sie geriet dadurch in Gegensatz zu Oesterreich-Ungarn, dessen Bewohner zur größeren Hälfte Slaven waren. Die deutsche Regierung wollte eine Zertrümmerung des österreichisch-ungarischen Staates nicht zulassen, weil sie von der Uebermacht Rußlands eine schwere Gefahr für das Deutsche Reich befürchtete. Sie schloß daher mit Oesterreich-Ungarn im Jahre 1879 ein Bündnis, zu dem einige Jahre später Italien hinzutrat. Wohl nie wäre es zum Weltkrieg gekommen, wenn die deutsche Regierung rechtzeitig unter Preisgabe des morschen österreichisch-ungarischen Staates eine Verständigung mit Rußland herbeigeführt hätte. Zu Rußland und Frankreich gesellte sich als dritter im Feindbund England, dem das Wachstum des deutschen Handels und der deutschen Industrie ein Dorn im Auge war. Die Gegensätze wurden von Jahr zu Jahr schärfer, die militärischen Rüstungen auf beiden Seiten immer größer. Vernünftige Stimmen, die auf den Unsinn dieses Wettrüstens und auf die schweren Gefahren, die daraus für den europäischen Frieden und die europäische Kultur zu erwachsen drohten, hinwiesen, wurden hüben wie drüben überhört. Der Weg friedlicher Verständigung wurde nicht eingeschlagen.

Am 28. Juni 1914 ereignete sich das schreckliche Attentat, das den unmittelbaren Anlaß zum Ausbruch des Krieges gab: der österreichische Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, fiel meuchlerischer Hand zum Opfer. Die serbische Regierung hatte nach dem eigenen Geständnis des Mörders ihre Finger im Spiele. Oesterreich richtete ein Ultimatum an Serbien, in dem es eine [S. 6] Reihe kurzbefristeter Forderungen stellte. Serbien lehnte ab, Oesterreich erklärte den Krieg. Sofort mobilisierte auch Rußland seine gesamten Truppen. Deutschland, das seinen Bundesgenossen nicht im Stich lassen wollte, forderte von Rußland die Demobilisierung und erklärte, als diese verweigert wurde, an Rußland und das ihm verbündete Frankreich den Krieg.


Personen: Schorn, Albert · Franz Ferdinand, Österreich, Erzherzog
Orte: Camberg · Frankreich · Russland · Österreich-Ungarn · Italien · England · Serbien · Elsaß-Lothringen · Sarajevo
Sachbegriffe: Handel · Industrie · Wettrüsten · Attentat von Sarajewo · Julikrise 1914 · Deutsch-Französischer Krieg 1870-1871
Empfohlene Zitierweise: „Albert Schorn, Kriegs-Chronik der Stadt Camberg, 1914-1921, Abschnitt 2: Ursachen des Kriege, Attentat von Sarajewo“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/34-2> (aufgerufen am 02.05.2024)