Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918

Abschnitt 12: Heftige Gefechte in der Marneschlacht

[17-18] Da die Aufklärung somit den völligen Rückzug des Feindes festgestellt hatte, verlief der Vormarsch des Bataillons am 6. September ohne Berührung mit dem Gegner. Um 5 Uhr gings über Aulnay– Matougues westlich an Chalons vorbei – Nuisement nach St. Quentin s. Coole. Kaum waren aber um 4 Uhr die engen Quartiere bezogen, als ein neuer Befehl das Bataillon wieder auf die Straße rief und über Vesigneul s. Coole nach Coole in Marsch setzte, so daß die Tagesleistung fast 50 Kilometer erreichte. Da der Tag ganz besonders heiß und staubig war, atmete olles auf, als um 1 Uhr nachts das Marschziel erreicht war und durch vorausgesandte Offiziere die dürftigen Quartiere bereits vorbereitet waren.

Schon um 4 Uhr brach die Division am 7. September auf, das Jägerbataillon am Schluß der Marschkolonne um 6 Uhr. Vom Feinde war gemeldet worden, daß er gegen das linke Nachbarkorps, das 19., über Les Riowres in nördlicher Richtung vorrücke. Bald tönte von Sompuis Gefechtslärm herüber und die beiderseitige Artillerie begann zu sprechen. Die Division entwickelte sich zum Angriff. Das zunächst zur Verfügung des Divisionskommandeurs am Westrand von Sompuis verbleibende Bataillon ging gegen 8 Uhr morgens rechts gestaffelt im Schrapnellfeuer vor und setzle von einem stark unter Artilleriefeuer liegenden Wäldchen bei L'Ormet aus die 3. und 4. Kompagnie zur Unterstützung des Schützenregiments 108 ein, das im schweren Kamps um die Höhen westlich Le Meix–Tircelin lag. Immer heftiger wird das Schrapnell- und Granatfeuer. Den von Waldstück zu Waldstück ziehenden Truppen folgt es auffallend sicher – man merkt, daß der Franzose in altbekanntem Uebungs- und Manövergelände sitzt. Trotz der unaufhörlich heranfauchenden und krepierenden Geschosse sind die Verluste gering und der um 1 Uhr nachmittags eintreffende Divisionsbefehl zum Abbruch des Gefechts überrascht allgemein. Die 2. und Maschinengewehr-Kompagnie werden zur Aufnahme bereit gestellt und in völliger Ordnung geht das Bataillon durch den Wald bis zur Eisen bahn Sompuis–Sommesous zurück, verfolgt von wütendem Artillerie- und Maschinengewehrfeuer. Der Feind selbst folgt jedoch nicht. An einem Bahnwärterhaus westlich Sompuis wird um 4 Uhr 30 Biwak aufgeschlagen. Auch die 1. Kompagnie findet sich wieder ein. Sie war am Morgen vom Generalkommando festgehalten und längs der Bahnlinie an den linken Flügel des Korps entsandt worden, wo sie vorgehende feindliche Infanterie mit Visier 900 unter Feuer nahm. Später hatte sie den Bahnhof Sompuis besetzt gehalten. Auch sie war von der französischen Feldartillerie heftig beschossen worden. Der Gesamtverlust des Bataillons betrug 8 Verwundete und 1 Vermißten. Am Abend wurde das Biwak an den Nordrand Sompuis verlegt.

Wolkenlos zog am 8. September die Sonne herauf und versprach wieder einen glühendheißen Tag. Mit dem dämmernden Morgen heulten auch schon die ersten feindlichen Granaten heran und fuhren krachend in die Dächer und Häuser von Sompuis. Die Antwort ließ nicht aus sich [S. 18] warten, und von Stunde zu Stunde nahm der Artilleriekampf an Heftigkeit zu. Das Bataillon stellte sich um 6 Uhr am Südwestausgang von Sompuis bereit, die 1. Kompagnie besetzte zunächst wieder den Bahnhof, wurde aber gegen 7 Uhr an das Bataillon herangezogen, nachdem einige Granat- und Schrapnellschauer über sie hereingewettert waren. Da der Vormarsch neuer feindlicher Kräfte über Trauen– Mailly gegen die rechte Nachbar- (die 23. Reserve-) Division in Stärke etwa einer Division gemeldet war, entsandte der Divisionskommandeur um 10 Uhr 30 vormittags das Jägerbataillon wie am Vortage auf die Höhen l'Ormet 187, um sich dort bereit zu stellen. Sofort faßten die französischen Feldgeschütze das Bataillon wieder. Vergeblich zog man von Waldstück zu Waldstück. Ueberall hin folgte das gut geleitete Feuer und machte mit seinen Schrapnells und brisanten Granaten den Aufenthalt höchst ungemütlich. Unter anderen fiel ihm Stabsarzt Dr. Kirchhain zum Opfer. Auch feindliche Flieger entwickeln rege Aufklärungstätigkeit und lenken offenbar immer mehr feindliche Batterien auf die vom Bataillon besetzten Höhen, auf und hinter denen mehrere deutsche leichte und schwere Batterien in Stellung stehen. Kurz nach Mittag scheint der Gegner gegen die vorliegende, von Teilen des sächsischen Schützenregiments verteidigte Höhe 117 Boden zu gewinnen. Zum Schutze der gefährdeten Artillerie wird die 3. Kompagnie eingesetzt. die aber in dem starken Artilleriefeuer mehrfach ihre Stellungen wechseln mußte, wobei 2 Züge den Anschluß verloren. Der beim Kompagnieführer befindliche Zug grub sich neben einer Kompagnie des Schützenregiments 108 vor den gefährdeten Artilleriestellungen ein. Zur örtlichen Sicherung entwickelten auch die 2. und 4. Kompagnie Züge. Mit Anbruch der Nacht schlief das Artilleriefeuer allmählich ein. Das Bataillon, dem der Tag außer dem Stabsarzt den Lt. d. R. Gonder (verwundet), 3 Gefallene, 20 Verwundete und 4 Vermißte gekostet hatte, bezog auf seinem Bereitstellungsplatz Biwak, in das während der Nacht die Lebensmittelwagen der großen Bagage sehr willkommene reichliche Verpflegung brachten.


Empfohlene Zitierweise: „Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918, Abschnitt 12: Heftige Gefechte in der Marneschlacht“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/10-12> (aufgerufen am 11.05.2024)