Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Regesten der Landgrafen von Hessen

1493 Februar 16

Wilhelm III. fordert Maßnahmen zur Wiederherstellung der Klosterordnung

Regest-Nr. 8606

Überlieferung | Regest | Originaltext | Nachweise | Textgrundlage | Zitierweise
Überlieferung
Ausfertigung: Lateinisches Konzept: Staatsarchiv Marburg, Samtarchiv, Schublade 6, Nr. 57 I
Stückbeschreibung: Papier, gut erhalten (lt. Findbuch).
Drucke: Koch, Regesten 2, Beilage 193; Heinemeyer, Territorium und Kirche.
Regesten: Eckhardt, Die oberhessischen Klöster 3, 1, S. 662 Nr. 935
Regest
Burg Marburg. - Landgraf Wilhelm (III.) von Hessen, Graf zu Katzenelnbogen etc. schreibt an Papst Alexander VI., in seiner weltlichen Herrschaft seien viele berühmte, zur Ehre Gottes und zum Heil der Seelen gegründete Klöster, die in diesen Tagen elendiglich vom regulierten Leben abgefallen seien, daß nicht eine Spur der früheren Ehrbarkeit und Heiligkeit geblieben, sie vielmehr zu einem so unmenschlichen und tierischen Leben herabgesunken seien, daß es gerechter sei, sie als Wohnplätze von Leichtfertigkeiten denn als Klöster und Bethäuser (2) zu bezeichnen. Als er, der Landgraf, dies mit Seufzen bedacht und von ihren Prälaten eine Besserung gefordert hätte, habe der Provinzialminister der Minderbrüder ihn schließlich auf irgendeine Weise zufriedenzustellen versucht, indem er das Kloster des hl. Franziskus in des Landgrafen Residenzstadt Marburg in drei Jahren viermal reformierte, wobei jedes Mal bei seiner Rückkehr der letzte Zustand schlechter war als die früheren Verhältnisse. Schließlich hätten alle besseren den Ort verlassen und sich zu den Observanten begeben, während die schlechtesten zurückgeblieben seien. Deswegen habe er an des Papstes Vorgänger die Bitte um Abhilfe gerichtet. Da sei plötzlich die ersehnte Nachricht eingetroffen, ein Herr Raimund sei mit der Vollmacht alle Klöster zu reformieren, angekommen. Man sei ihn angegangen, habe ihn gebeten, er habe zugestimmt und den übrigen Prälaten Auftrag über die Reformation einiger Klöster, nämlich des hl. Franziskus in Marburg und Grünberg, des hl. Dominikus in Marburg und Treysa, des hl. Augustinus in Alsfeld und Haina vom Zisterzienserorden in der Mainzer Diözese, erteilt und dabei gesagt, er habe dazu ausreichende Vollmacht durch päpstliche Schriften. Leichtgläubig und voller Freude habe darauf er, der Landgraf, sofort an den Vikar der Minderbrüder von der Observanz geschickt mit dem Auftrag und dem Mandat des Herrn Raimund und ihn gebeten, das genannte Kloster St. Francisci in Marburg schleunigst zu reformieren. Dieser habe, nachdem er das Mandat gesehen habe, gesagt, ihm stehe noch im Wege, daß darin eine Bulle Papst Pauls II., die Paulina oder Bulle der Eintracht genannt werde (1), nicht von Wort zu Wort widerrufen sei. Dies heftig beklagend, habe er, Wilhelm, dennoch darin fortgefahren und sich im verflossenen Jahr 1490 an den hl. Apostolischen Stuhl mit der Bitte gewandt, den Gnadenserlaß (indultum) des Raimund zu bestätigen und durch eine Bulle die Mängel zu beseitigen. Doch sei, wie man wisse, der Teufel, Feind alles Guten, dabeigewesen. Der nämlich für die Minderbrüder angeführte Mangel gelte nicht für einige andere Klöster der regulierten Nonnen, die nach dem Wortlaut der Bulle reformiert werden könnten. Darauf habe der Landgraf wiederum, und zwar im Jahr 1492, seinen Unterhändler an die Kurie gesandt, und es sei ihm berichtet worden, daß dieser eine Besiegelung (signatura) erlangt habe. Doch durch den Tod des Papstes und des Unterhändlers in der Stadt sei der fromme Handel wieder vereitelt worden. So oft getäuscht, bittet er daher den neuen Papst, ihm und seinem Unterhändler in diesem frommen Handel wirkungsvoll beizustehen und ihm durch die Bestätigung von Raimunds Gnadenerlaß über die genannten Männerklöster und durch die Beseitigung der Mängel, insbesondere in Bezug auf die Paulina, und durch andere notwendige Klauseln eine günstige Abhilfe zu verschaffen (providere), daß er nicht den Verdacht haben müsse, er sei bisher mit Fleiß getäuscht worden und ihm und den Seinen werde in Zukunft der Glauben und die Ehrfurcht vor päpstlichen Schreiben und Boten genommen, so daß er gezwungen würde, die Macht des weltlichen Schwertes zu gebrauchen, wenn das geistliche, das er lange gesucht habe, verweigert werde. Denn er werde eine solch schwere Beleidigung Gottes, eine so ruchlose Täuschung der Stifter, die zweifellos für so etwas niemals ihre Güter zu geben beabsichtigt hätten, und die Verspottung seiner Person nicht länger ertragen.
Datum in castro meo Marpurg, die 16. mensis februarii a. salutis 1493.

Weitere Informationen

(1) Diese Bulle von 1467 untersagte den Observanten, den Konventualen Häuser fortzunehmen, und umgekehrt.
(2) Die ursprüngliche Formulierung lautete: Bordelle (prostibula) als Klöster und Räuberspelunken als Bethäuser.

Nachweise

Ausstellungsort

Marburg

Aussteller

Hessen, Landgrafen, Wilhelm III.

Empfänger

Alexander VI., Papst

Weitere Personen

Peraudi, Raimund, päpstlicher Legat · Paul II., Papst

Weitere Orte

Marburg, Franziskanerkloster · Grünberg, Franziskaner · Marburg, Dominikaner · Treysa, Dominikaner · Alsfeld, Augustinereremitenkloster zum Erlöser · Haina, Augustiner · Mainz, Diözese

Sachbegriffe

Päpste · Klöster, Reform von · Klosterordnungen, Wiederherstellung von · Jahrmarktsbuden · Urkundentexte, Streichen von · Bordelle · Räuberhöhlen · Franziskaner · Klöster, Franziskaner · Legate, päpstliche · Gesandte, päpstliche · Schwerter, weltliche · Macht, weltliche · Papstbullen · Prälate · Minderbrüder · Provinzialmeister · Observanten · Mönche, Minderbrüder · Mönche, Observanten · Dominikaner · Mönche, Dominikaner · Mönche, Augustiner · Augustiner · Diözesen · Zisterzienser · Mönche, Zisterzienser · Vikare · Bullen, päpstliche · Unterhändler, Tod von · Kurien, römische · Gesandte

Textgrundlage

Regest

Eckhardt, Klosterarchive 7

Stückangaben

Regestensammlung Wolf

Zitierweise
Landgrafen-Regesten online Nr. 8606 <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/lgr/id/8606> (Stand: 28.04.2024)