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Hessische Biografie

Portrait

Willy Bauer
(1930–1991)

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GND-Nummer

1097629538

Bauer, Willy [ID = 9924]

* 8.2.1930 Frankfurt am Main, † 21.4.1991, Begräbnisort: Frankfurt am Main, konfessionslos; evangelisch
Kaufmann
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Wirken

Werdegang:

  • 1940 Eintritt ins Gymnasium
  • 1940/41 Eintritt in die Hitlerjugend
  • 1944 Kriegsteilnahme an der Ostfront
  • 1945 Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft
  • 1948 Gymnasialabschluss ohne Abitur und Beginn einer kaufmännischen Lehre bei der Metallgesellschaft AG in Frankfurt, Abteilungsleiter bei der Metallgesellschaft AG
  • 1964 Gründungsmitglied der „Avifaunistischen Arbeitsgemeinschaft Hessen“; 1972 Umwandlung in die Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON)
  • ab 1969 Mitglied der Arbeitsgruppe „Naturschutz in Griechenland“ der „Internationalen Union für Naturschutz“ (IUCN)
  • ab 1970 Mitglied der deutschen Sektion des „Internationalen Rates für Vogelschutz“
  • ab 1972 Vertreter der Vogelkundlichen Beobachtungsstation „Untermain“ in der deutschen Sektion des „Internationalen Rates für Vogelschutz“
  • 12.1976 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande
  • ab 1978 Vorsitzender des Stiftungsrates der „Stiftung Hessischer Naturschutz“
  • 1980-1991 Vorsitzender der HGON
  • ab 1986 Vorsitzender des Landesnaturschutzbeirates Hessen
  • 1989 Große Ehrenplakette des Landes Hessen in Gold
  • 1990 Bundesverdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
  • 14.4.1992 Stiftung des Willy-Bauer-Preises durch Staatsminister Jörg Jordan
  • 7.7.2008 Gründung der Willy-Bauer-Naturschutzstiftung durch die HGON
  • Landesbeauftragter der nationalen und internationalen Wasservogelzählung
  • Beauftragter der „International Union for Conservation of Nature“ (IUCN)
  • Beauftragter des „World Wide Fund of Nature” (WWF)
  • Beauftragter des „International Waterfowl Research Bureau” (IWRB)
  • Gründer der „Arbeitsgemeinschaft der Vorsitzenden der Hessischen Naturschutzverbände“
  • Mitglied des Präsidiums des „Deutschen Bundes für Vogelschutz“
  • Vorstandmitglied der „Vogelkundlichen Beobachtungsstation Untermain e. V.“
  • Vorstandsmitglied der „Naturlandstiftung“
  • Goldene Ehrennadel des Deutschen Bundes für Vogelschutz
  • Gedenkstein im Naturschutzgebiet „Rhäden in Obersuhl und Bosserode“

Werke:

  • Herausgeber und Redakteur der Zeitschrift „Vogel und Umwelt“
  • Redaktion der Zeitschrift „Luscinia“ der Vogelkundlichen Beobachtungsstation Untermain e.V.
  • Initiator für eine „Avifauna von Hessen“, Fertigstellung nach Bauers Tod
  • Herausgabe der internen Zeitschrift „Tägliche Nachrichten“ der Metallgesellschaft AG

Lebensorte:

  • Frankfurt am Main
Familie

Vater:

Bauer, Oskar, Tankstellenbesitzer

Mutter:

N.N., Helene

Partner:

  • N.N., Agnes, Heirat Frankfurt am Main 20.6.1953

Verwandte:

  • Bauer, Markus <Sohn>, * 1955
  • Molloy, Cora <Tochter>
  • Bauer, Jan <Sohn>
Nachweise

Literatur:

Bildquelle:

Jochen Tamm/Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. (Hg.), Willy Bauer. Der starke Mann des hessischen Naturschutzes. – Leben und Persönlichkeit -, Echzell 2012, S. 2.

Leben

Willy Bauer wurde am 8. Februar 1930 als einziges Kind der Eheleute Helene und Oskar Bauer in Frankfurt am Main geboren. Seine Mutter war Krankenschwester, der Vater pachtete ab 1936 eine Tankstelle in Frankfurt am Main; einer Einberufung in den Zweiten Weltkrieg konnte er entgehen. Bauer wuchs im Frankfurter Stadtteil Westend, wo er zunächst die Holzhausenschule und anschließend die Musterschule besuchte, auf. Als Gymnasiast trat Willy Bauer in die Hitlerjugend ein, wurde eingezogen und 1944 an die Ostfront verlegt. In der Tschechoslowakei geriet Bauer in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er im Jahr 1945 nach Frankfurt zurückkehrten konnte.1 Nach Beendigung seiner Gymnasialzeit im Jahr 1948 begann Bauer eine kaufmännische Lehre bei der Metallgesellschaft AG in Frankfurt am Main. Bis zu seinem Tod war Bauer dort nach seinem Aufstieg zum Abteilungsleiter der volkswirtschaftlichen Abteilung für die von der Metallgesellschaft AG herausgegebene „Metallstatistik“ verantwortlich.2

Im Juni 1953 heiratete Bauer – nach erfolgter Taufe – seine Frau Agnes, mit der er in den folgenden Jahren drei Kinder bekam.

Bereits mit seinem Eintritt in das Berufsleben manifestierte sich Bauers autodidaktische Beschäftigung mit ornithologischen Fragestellungen und sein Engagement für den Naturschutz. Im Dezember 1964 initiierte er als Gründungsmitglied die „Avifaunistische Arbeitsgemeinschaft Hessen“, die er mitunter als Schriftführer betreute.3 Willy Bauer war zudem Sprecher der Arbeitsgruppe „Naturschutz“ der „Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz“.4 Fortan war Bauer nicht nur Mitglied zahlreicher Naturschutzgremien und Naturschutzgruppen, sondern erwirkte maßgebliche Veränderungen im Bereich des Naturschutzes: Die Einführung des Verbandsklagerechtes oder die Ausweisung zahlreicher Naturschutzgebiete und Naturparke sind maßgeblich auf das Engagement Bauers zurückzuführen. Als Beauftragter für Biotopschutz der Vogelschutzwarte Fechenheim setzte sich Bauer für den Erhalt von Feuchtlandbiotopen für ziehende Wasservögel ein.5 Während der Proteste um den Ausbau der Startbahn West des Frankfurter Flughafens positionierte sich Bauer gegen das Bauvorhaben und protestierte im November 1981 mit sichtbar angeheftetem Bundesverdienstkreuz in den Reihen der Startbahn-Gegner in Wiesbaden. Bauer hatte das Bundesverdienstkreuz am Bande im Dezember 1976 durch Ministerpräsident Holger Börner anlässlich des Hessischen Naturschutztages überreicht bekommen.6 Nach dem Mauerfall verstärkte Willy Bauer sein Engagement im Bereich des Naturschutzes für das Gebiet entlang der innerdeutschen Grenze. In diesem Zusammenhang wirkte Bauer von Anbeginn in der deutsch-deutschen Naturschutzgrenzkommission „Naturschutz im Grenzraum Hessen-Thüringen“ mit und bemühte sich um die Anerkennung des seit 1993 als Naturschutzgebiet „Grünes Band“ ausgewiesenen Bereich im unmittelbaren Grenzgebiet. Darüber hinaus setzte sich Bauer maßgeblich für die Ausweisung von Biotopflächen in der Rhön ein.7 Auf der 25-jährigen Jubiläumsfeier der HGON im Jahr 1990 bekräftigte Bauer die Intention seines Engagements, die grenzübergreifenden Vorarbeiten ehrenamtlicher Ornithologen aus Hessen und Thüringen auszubauen, um den einstigen Todesstreifen perspektivisch in ein Gebiet mit reichem Tier- und Pflanzenvorkommen zu verwandeln.8 Der vielfältige Einsatz Willy Bauers für den Naturschutz lässt sich nur schlaglichtartig überblicken: In den 1990er Jahren reichte sein ehrenamtliches Engagement vom Auftreten gegen die Bejagung der Rabenvögel9, für die Wiederansiedlung des Biebers im hessischen Spessart10 über vielfältige und langwierige Bemühungen um die Ausweisung diverser Biotop- und Naturschutzgebiete. In diesem Zeitraum gehen rund 70% aller hessischen Naturschutzgebiete auf Bestrebungen der HGON zurück, wobei Willy Bauer in vielerlei Hinsicht als treibende Kraft wirkte.11 Für sein langjähriges, beständiges und neben seinem eigentlichen Beruf umfassendes ehrenamtliches Engagement für den Naturschutz wurde Willy Bauer auf Vorschlag des Hessischen Ministerpräsidenten durch Staatsministerin Irmgard Reichardt am 16. Januar 1990 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Bereits im Vorjahr war Bauer die Große Ehrenplakette des Landes Hessen in Gold verliehen worden.12 Dies ist nur zwei der vielen Auszeichnungen, die Bauer für sein lebenslanges Engagement erhielt. Wie tiefgreifend das Engagement Bauers für den hessischen Naturschutz war, verdeutlicht die Namensgebung des höchsten Naturschutzpreises des Landes Hessen. Seit 1992 wird der „Willy-Bauer-Preis“ durch den jeweiligen Staatsminister für besondere ehrenamtliche Verdienste um den hessischen Naturschutz verliehen.13

Im Alter von 61 Jahren verstarb der bereits zu diesem Zeitpunkt auf einem Auge erblindete Willy Bauer am 21. April 1991 an einem Herzinfarkt auf der Rückreise einer Dienstfahrt von London nach Frankfurt am Main.14 Die Beisetzung Bauers fand am 26. April 1991 auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt am Main statt.15 Die Wirkkraft Willy Bauers geht jedoch auch für die HGON über dessen Tod hinaus: Die weiterhin tragende Verbindung zu ihrem Gründungsvater Willy Bauer – mitunter durch die Einrichtung der Willy-Bauer-Stiftung im Juli 200816 – sind signifikant für den Stellenwert Bauers im hessischen Naturschutz. Die Bibliothek der seit 1990 im Alten Rathaus von Echzell untergebrachten Geschäftsstelle der HGON wurde ebenfalls nach Willy Bauer benannt.17 Willy Bauer wird von seinen Weggefährten als in der Sache des Naturschutzes stets hartnäckig und unnachgiebig für seine Anliegen kämpfender Ornithologe beschrieben, der wusste, wann das Engagement für einen bestimmten Bereich des Naturschutzes lohnend werden konnte. Durch die tatkräftige Unterstützung seiner Frau Agnes konnte Willy Bauer sein kraft- und zeitraubenden Engagement für den Naturschutz effektiv und nachhaltig in politischen und gesellschaftlichen Bereichen einbringen und zugleich eine Aufwertung des ehrenamtlichen Naturschutzes erwirken. Diese kontinuierliche über Jahrzehnte intensiv geführte Arbeit auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen trug wesentlich zur Etablierung des Natur- und Umweltschutzgedankens über die Grenzen Hessens bei.

Friederike Witek


  1. Vgl. Tamm/Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V., Willy Bauer, 2012, S. 8.
  2. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.4.1991, S. 35: Familienanzeigen; Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.8.1989, S. 36: Frankfurter Gesichter: Willy Bauer.
  3. Vgl. Willy Bauer, 25 Jahre HGON – Rückblick und Vorausschau, in: Vogel und Umwelt. Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen 6, 1991, S. 154.
  4. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.12.1974, S. 27: Mehr für Naturschutz.
  5. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.4.1973, S. 40: Ein Platz für Wasservögel.
  6. Vgl. Tamm, Willy Bauer, S. 13; Vgl. Bundesverdienstkreuz für Willy Bauer. Laudation anlässlich des 25. Jahrestages des Bestehens der HGON am 18. März 1990 in Frankfurt, in: Vogel und Umwelt. Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen 6, 1991, S. 149, 151; Hessisches Hauptstaatsarchiv, Abt. 502, Nr. 5037, Reden von Ministerpräsident Holger Börner, 03d-04-03a, Bd. 1.
  7. Vgl. Wolfram Brauneis, Erinnerungen an Willy Bauer, in: Tamm, Willy Bauer, S. 30; Willy Bauer, 25 Jahre HGON – Rückblick und Vorausschau, in: Vogel und Umwelt. Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen 6, 1991, S. 156.
  8. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.3.1990, S. 42: Naturschutz-Abgabe gefordert.
  9. Zunächst durch die Europäische Gemeinschaft verboten, wurde die Bejagung vom Land Hessen wieder freigegeben. Vgl. Hans-Peter Goerlich, Ansprache anläßlich der Trauerfeier für Willy Bauer am 26. April 1991, in: Vogel und Umwelt. Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen 6 (1991), H. 5/6, S. 287.
  10. Auf das gemeinsame Engagement von Irmgart Schultheis und Willy Bauer ist der Kauf von 80 ha Wiesenfläche im Jossa- und Sinntal durch Ausgleichsmittel der Autobahn Kinzigtal zurückzuführen. Diese Flächen ermöglichten es, dem Biber, der zu diesem Zeitpunkt als letztes Rückzugsgebiet die sächsischen Flußauen hatte, auch in Hessen wieder ansässig zu machen. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.5.2009, S. 64: Der Biber weckt keine Begehrlichkeiten der Jäger.
  11. Vgl. Bundesverdienstkreuz für Willy Bauer, S. 150.
  12. Vgl. Bundesverdienstkreuz für Willy Bauer, S. 149, 151; Hessisches Hauptstaatsarchiv, Abt. 502, Nr. 5037, Reden von Ministerpräsident Holger Börner, 03d-04-03a, Bd. 1.
  13. Vgl. Webangebot des Umweltministeriums Hessen.
  14. Vgl. Goerlich, Ansprache, S. 284; Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.4.1991, S. 43: Willy Bauer gestorben.
  15. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.4.1991, S. 35: Familienanzeigen; Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.4.1991, S. 43: Willy Bauer gestorben.
  16. Vgl. Webangebot der Willy-Bauer-Stiftung; Staatsanzeiger für das Land Hessen 30, 2008, S. 1928.
  17. Vgl. Flyer der HGON: Das alte Rathaus in Echzell.
Zitierweise
„Bauer, Willy“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/1097629538> (Stand: 28.11.2023)