Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Burgen, Schlösser, Herrenhäuser

Burg Nordeck

312 m über NN
Gemarkung Nordeck, Gemeinde Allendorf (Lumda), Landkreis Gießen
Basisdaten | Geschichte | Bau und Baugeschichte | Burgtyp | Nachweise | Zitierweise | Indizes

Burg Nordeck befindet sich im Norden über dem gleichnamigen Ort in Hanglage. Vermutlich im 11. oder 12. Jahrhundert wurde sie von den Grafen von Gleiberg errichtet. In landgräflich-hessischer Zeit diente die Burganlage der Kontrolle der Straße von Mainz nach Amöneburg. Burg Nordeck ist eine Hangburg mit Halsgraben, Schildmauer und rundem Bergfried (12./13. Jahrhundert) an der Angriffsseite. Drei Gebäude aus der Zeit vom 14. bis zum 17. Jahrhundert bilden einen engen, dreiseitigen Burghof mit Brunnen. Neben dem Bergfried und der Schildmauer sowie dem Halsgraben und einer stattlichen Stützmauer ist die Burgkapelle im Bereich der Vorburg erhalten. Burg Nordeck befindet sich in Privatbesitz und beherbergte bis 2015 ein Landschulheim. Heute betreibt eine Tochtergesellschaft der Lebenshilfe Gießen eine Jugendhilfeeinrichtung auf der Burg.

Basisdaten

Ortstyp:

Burg

Bezeichnung der Siedlung:

Lagebezug:

17 km nordnordöstlich von Gießen

Lage:

Die Burganlage befindet sich über dem nördlichen Ortsrand von Nordeck in Hanglage. Vermutlich diente Burg Nordeck im Hoch- und Spätmittelalter als wichtige hessische Sperre der Straße von Mainz nach Amöneburg.

Geschichte

Laufzeit:

? 12. Jahrhundert–

Besitzgeschichte:

Anfangs (11./12. Jahrhundert) sind die Grafen von Gleiberg als vermutliche Bauherren der Burg auch Besitzer der Anlage. Um das Jahr 1150 gelangt die Burg in den Besitz einer wohl ursprünglich im Ebsdorfer Grund ansässigen edelfreien Familie, die sich später nach der Burg als von Nordeck benennt. Nicht geklärt ist bislang die Frage, wie die Anlage zwischen 1237 und 1254 an Sophie von Brabant, Mutter Landgraf Heinrichs I. von Hessen, kommt. 1254 ist Burg Nordeck schließlich sicher im Besitz von Herzogin Sophie von Brabant. Von 1336 bis 1368 stehen Burg und Herrschaft Nordeck als Abfindung im Besitz Hermanns von Hessen, dem jüngsten Sohn Landgraf Ottos I. 1371 versetzt Landgraf Heinrich II. Burg Nordeck an Hermann Schutzbar genannt Milchling. Die Familie von Schutzbar genannt Milchling trägt dann bis ins Jahr 1488 Burg Nordeck als hessisches Lehen. 1490 belehnt Landgraf Wilhelm III. Dietrich von Rollshausen mit Burg Nordeck. Von 1526 bis 1831 ist Burg Nordeck landgräfliches Lehen der Rau von Holzhausen. 1897 erfolgte der Verkauf der Burganlage an eine Familie Molineus, die sie etwa 1907 wiederum an Alice Freifrau von Nordeck zu Rabenau weiter veräußert. Durch Erbgang befindet sich die Burg seit 1909 im Besitz der Grafen von Schwerin zu Friedelhausen.

Funktion:

Im Zeitraum von 1336 bis 1368 fungierte Burg Nordeck als Paragium Hermanns von Hessen, Sohn Landgraf Ottos I. Im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit belehnten die Landgrafen von Hessen mehrfach niederadlige Familien mit der Burganlage. Von 1925 bis 2015 war ein Landschulheim in der Burg untergebracht, heute findet sich auf der Burg eine Jugendhilfeeinrichtung.

Bau und Baugeschichte

Baugeschichte:

Die aus Basalt und sog. Lungstein (Londorfer Basaltlava) bestehenden Kernburg und Burgkapelle wurden vermutlich im 11. oder 12. Jahrhundert durch die Grafen von Gleiberg erbaut. Wohl im 15. Jahrhundert erfolgte der Bau bzw. Umbau des an der östlichen Hofseite gelegenen Hauptbaus in spätgotischem Stil. 1675 wurde der Westflügel südlich des Bergfrieds neu errichtet. Im Jahr 1683 folgten weitere Umbaumaßnahmen, ebenso Anfang des 18. Jahrhunderts.

Baubeschreibung:

Bei Burg Nordeck handelt es sich um eine aus Vor- und Kernburg bestehende Hangburganlage. Im Bereich der Vorburg befinden sich die ehemalige Zehntscheune des 18. Jahrhunderts sowie die im Kern romanische Burgkapelle (ehemals St. Wendelin). Die in Basaltbruchstein gefertigte Kapelle stellt sich als ursprünglicher Saalbau dar, der 1798 erweitert wurde und eine Welsche Haube erhielt. Restaurationsarbeiten erfolgten 1888 und 1933/34. Die regelmäßig viereckige Kernburg verfügt über einen Halsgraben und eine Schildmauer sowie über einen stattlichen Bergfried auf rundem Grundriss (12./13. Jahrhundert) aus Basaltgestein an der (westlichen) Angriffsseite. Die Gebäude des 14. bis 17. Jahrhunderts gruppieren sich an drei Seiten um einen engen Burghof mit achteckigen Brunnen von 1719. In den westlichen Abschnitt der die Kernburg umschließenden Schildmauer ist ein halbvermauertes, romanisches Rundbogenportal eingefügt. Der südlich an den Bergfried anschließende Westflügel wurde wahrscheinlich 1675 errichtet. Das Portal im Südflügel datiert auf das Jahr 1708, der darüber befindliche Wappenstein vermutlich auf 1683. An der Ostseite des Burghofs steht der im 15. Jahrhundert errichtete Ostflügel spätgotischen Stils mit massiver Außenmauer und hofseitigem Fachwerkaufbau.

Erhaltungszustand:

Von der hochmittelalterlichen Burganlage sind insbesondere der Bergfried, die Schildmauer, der Halsgraben und eine stattliche Stützmauer an der Südseite erhalten.

Denkmaltopographie:

Die aus einer regelmäßigen, annähernd quadratischen Anlage bestehende Hangburg ist mit einem tiefen Halsgraben versehen. An der Nordwestecke erhebt sich der freistehende, aus glatten Basaltlavaquadern errichtete, runde Bergfried als vielleicht ältester Teil der romanischen Anlage. Ebenfalls romanisch ist ein Teil der Außenmauern und ein halb vermauertes rundbogiges Portal an der Westseite, während ein weiteres, spitzbogiges Portal am Aufgang zur Burg (Südseite) durch die Jahreszahl 1708 und durch einen Wappenstein von 1683 bezeichnet ist.

Das Hauptgebäude an der Ostseite des Hofes ist spätgotisch, seine Außenmauern sind massiv, die Hofseite in Fachwerk errichtet. Ein weiteres, an den Turm angrenzendes Gebäude ist mit einem offensichtlich als Spolie erhaltenen Balkenteil versehen. Seine Inschrift besagt:

„DISEN BAVW HADT DER REICHS- FREYEN HOCH EDEL GEBOHRNEN GESTRENG VND GROSMAN VES TEN HERRN HERRN PHILIPS ADOLPS RAVHEN VON VND ZU HOLZHAUSEN ERBAVWEN LASEN VND DEN 18 MERTZ ANO 1675 AVFGESCHLAGEN WORDEN“. Ebenfalls zum Bestand der Anlage gehört ein lang gestrecktes, völlig verschindeltes Fachwerkhaus, das so genannte Unterhaus, das innerhalb der Vorburg liegt Ebenso das kleine pavillonartige, Fachwerk erbaute Gartenhaus nördlich der Burg, dessen hölzerner, heute vermauerter Torbogen mit der Jahreszahl 1682 versehen ist.

Besonders interessant ist die innerhalb der Vorburg, nahe der inneren Burgmauer errichtete Burgkapelle. Als separater, im Kern romanischer Baukörper dürfte die Kapelle schon bald nach der Erbauung der Burg entstanden sein. Das ursprünglich rechteckige, 1708 zur Burgmauer hin erweiterte, nicht ganz rechtwinklige Gebäude besteht aus dickem Basaltbruchsteinmauerwerk, das an den Ecken von Lungsteinquadern gefasst ist. Der einem Quadrat angenäherte, nach Osten orientierte Chorraum ist fast so groß wie der Gemeinderaum. Während der Chor mit einem Kreuzgratgewölbe ausgestattet ist, das von Eckvorlagen getragen wird, hat der Gemeinderaum eine flache Decke. Der stumpf angesetzte Strebepfeiler an der Südseite und der spitzbogig veränderte Triumphbogen dürften etwa gleichzeitig in gotischer Zeit entstanden sein. 1708 entstanden im Zuge einer stark eingreifenden Bauveränderung (Wappentafel der Rau v. Holzhausen über dem Eingang) der oben bereits erwähnte Anbau, ein neuer Dachstuhl samt dem oktogonalen Dachreiter mit Welscher Haube, eine von drei runden Holzstützen getragene Westempore und die rundbogig abschließenden Sandsteinlaibungen der Tür und der Fenster.

Eine nahe der Kapelle in die Burgmauer eingelassene Gedenktafel besagt: „RESTAURIERT 1888 A NORDECK ZU RABENAU“.

Wichtige Bestandteile der Burganlage sind weiterhin der oktogonal gefasste barocke Ziehbrunnen im Burghof sowie zwei Gedenksteine von hohem Erinnerungswert. Der eine, eine klassizistische Gedenksäule in der Nähe des Gartenhäuschens trägt die folgende Inschrift auf dem beigefügten Wappenschild: „DEM ANDENKEN DES/ FREIHERRN CARL RAU VON U ZU HOLZHAUSEN/ DIE DANKBAREN HINTERBLIEBENEN/ * 3.7.1801 + 9.12.1853“, der andere, der am nordöstlichen Ende des Kräutergartens steht, zeigt außer dem Wappen die Widmung: „ZUM GEDENKEN AN/ GÖTZ EBERHARDT FREIHERRN VON NORDECK ZUR RABENAU/ DEM LETZTEN SEINES STAMMES/ GEB. AM 24. JAN. 1917 ZU SAGAN/ GEF. ALS MAJOR D.R. AM 20. AUG. 1944 ZU LORIOL BEI VALENCE“. Sämtliche erwähnten Teile der Burganlage sind im Sinne einer Sachgesamtheit Kulturdenkmäler aus geschichtlichen und künstlerischen Gründen.

Burgtyp

Bautyp:

Höhenburg; Hangburg

Rechtstyp:

Lehnsburg

Nachweise

Literatur:

EBIDAT:

Burg Nordeck

Zitierweise
„Burg Nordeck, Gemeinde Allendorf (Lumda)“, in: Burgen, Schlösser, Herrenhäuser <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/bg/id/15148> (Stand: 19.1.2022)