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Hessische Biografie

Portrait

Maria Alexandrowna Kaiserin von Russland
(1824–1880)

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GND-Nummer

1055649123

Russland, Maria Alexandrowna Kaiserin von [ID = 16316]

* 8.8.1824 Darmstadt, † 3.6.1880 Sankt Petersburg, russisch-orthodox
Biografischer Text

Prinzessin Maries Erzieherin und enge Vertraute war ihre Tante, die von Großherzogin Wilhelmine 1831 als Hofdame engagierte Marie von Senarclens-Grancy (1809–1864). Die Prinzessin war eben 15, als der russische Thronfolger Alexander (II.) gegen Ende seiner Brautschau-Tour an den deutschen Fürstenhöfen nach Darmstadt kam, sah und siegte. Im Frühjahr 1840 war Verlobung, und nach einem Antrittsbesuch bei den Schwiegereltern in Berlin, wo die Zarin ihren todkranken Bruder König Friedrich Wilhelm III. besuchte, reiste Marie im Herbst mit ihrem Bruder Alexander nach St. Petersburg, um sich in Sprache, Kultur und Religion ihrer neuen Heimat einweisen zu lassen, was Saschas langjähriger Erzieher, der Dichter und Puschkin-Freund Wassili Shukowski übernahm. Nach dem obligatorischen Übertritt zur orthodoxen Kirche wurde im April 1841 mit gebührendem Pomp Hochzeit gefeiert. Marie hat sich in einem um sie formierten Kreis russischer Intellektueller offenbar rasch mit dem neuen Umfeld vertraut gemacht, so dass sie sogar in der intensiv fortgeführten Korrespondenz mit den deutschen Verwandten betont russische Positionen, selbst panslawistische Ideen vertrat.

Auch nach dem Thronwechsel, der erst nach Beendigung des Krim-Kriegs 1856 mit der traditionellen Krönung des neuen Zarenpaares im Moskauer Kreml gefeiert wurde, blieb sie Gesprächspartnerin und Vertraute ihres Mannes, der mit der spektakulären Aufhebung der Leibeigenschaft und weitgehenden Reformen von Verwaltung, Recht und Bildungswesen zum „Befreier-Zaren“ werden sollte. Einen Bruch gab es in den 1860er Jahren mit dem wiederholten Ausbruch der Tuberkulose, an der schon Maries Mutter und 1865 auch der 20-jährige Zarewitsch Nikolai verstorben waren, und dem Schock eines ersten, fast erfolgreichen Attentats auf Alexander Anfang April 1866, wenige Wochen vor der Silberhochzeit. Im selben Jahr, kurz nach Alexanders Intervention, die dem Darmstädter Schwager Ludwig nach dem preußischen Sieg im deutsch-deutschen Krieg den Besitz Oberhessens gesichert hatte, begann die Liaison des Zaren mit der jungen Prinzessin Katharina Dolgoruki (1847–1922), die 1880 kurzzeitig seine zweite Frau werden sollte. Das trotz wiederholter Kuren im Ausland verschlimmerte Lungenleiden Maries ließ sie zunehmend vereinsamen. Die engen Beziehungen zu den hessischen Verwandten blieben durch periodische Sommerbesuche auf Schloss Heiligenberg gewahrt. Marie konnte noch erleben, dass der Zar ihren Neffen Alexander Battenberg nach dem russisch-türkischen Krieg zum Zaren von Bulgarien machte. Nur ein Dreivierteljahr nach ihrem Tod im Frühsommer 1880 sollte auch Zar Alexander einem wiederholten Terroristen-Attentat zum Opfer fallen.

Eckhart G. Franz

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 354 f.)


Literatur