Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Tagebuch des Soldaten Heinrich Preis aus Moischt (1914-1915)

Abschnitt 12: Ruhige Tage in der Stellung in den Karpaten

[26-29] 17. Aprill. Es sieht heut aus als were tiefster Frieden. Ich gehe ein Stück in den Wald hinein, die Beume sind alte Riesen, die Vögel pfeifen, deren es hir viele gibt. Wenn man die Bärtigen Gestalten1 vor ihren Unterständen sietzen sieht, so erinnert das so lebhaft an unsre Vorfahren die alten Germanen, oder Teutonen wie [S. 27] sie ehemals im Teutoburger Walde das Römerzeug abgeschüttelt haben. Eben fängt die Ruschische Attilleri an zu schießen. Eine Granate fährt nicht weit von unserm Unterstand in die Erde, Mann ist sofort wieder in der Wirklichkeit, aber es ist manchmal schön und unterhaltent, ein wenig zu treumen.

18. April. Heute ist Sontag. Man ist ganz zu Hause, d.h. in Gedanken, sonst unterscheidet der Tag hir von keinem andern, doch ich bekomme 3 Pakete, 2 von zu Hause, eins von Cassel, dies erhält die Stimmung etwas. Es ist heute schönes Wetter. Heute Mittag schißt die russische Attilleri sehr lebhaft und Genau. Vor meinem Unterstand habe ich heute eine Bank gemacht, jede Gruppe meines Zuges ahmt dies nach, das siht sehr schön und Wohnlich aus.

19. April. Heute Morgen begrüßt und die Russische Attillerie sehr frühe und heftig. Neben uns gibt es einen Todten und einige Verwundete. Bald ist ein öster. Flieger da, und nun beschießt unsre [S. 28] Attilerie die feindliche Wirksam. Wunderschönes Wetter. Die Leute liegen hinter den Schützengräben und sonnen sich. Mann kann uns durch die Beume schlecht beobachten.

20. Aprill. Heute morgen abgelöst und 3 Tage in Reserve in Unterständen. Die Comp. erhielt heut Zuwachs an 3 Feldwebeln.

21. April. Heute Löhnung 10 Mark nach Haus geschickt.

22. April. Noch in Reserve, nichts besonderes. Heute kommen noch Weihnachtspakte. Ich bekomm 1 Paket und den ersten Brief v. K.

23. Aprill. Heute Morgen 5 Uhr wieder in vordere Stellung gerückt, dort ist es besser als in Reserve, das einzige ist ab und zu Attilleriefeuer, sonst est es eine Musterstellung, schön sauber ausgebaut, Schrappnelsichere Unterstände gebaut, diese Stellung ist wehrt der Nachwelt als Denkmal erhalten zu bleiben. Eben habe ich mit einem Feldwebel einen Gang durch die Nachbarkompagnie gemacht, auch waren wir bei der Reserve Comp. [S. 29] Und besuchten die Gräber unserer gefallenen Kammeraden. Man soll es kaum für möglich halten, kaum 200 Meter hinter der Front liegt die Resvr. Comp. die leute tummeln sich umher und machen Spiele wie die Schuljungen auf dem Schulhofe, das ist aber nur in diesen hohen Bergen möglich. Schön sind die Gräber der Gefallenen hergerichtet. Es liegen 30-40 Mann in einem Grab, Deutsche, Östereicher, Russen neben einander. Auf jedem Grab stet ein Kreuz aus Birkenholz, mit der Zahl der todten und der Nationalität, schön umfaßt sind die Gräber mit einem kleinen Gitter. Ich stehe am Grabe meines Freundes Schuman. Er ging freiwillig mit ins Feld, bei dem Sturm dieser Stellung mußte er sein Leben lassen. Mitt Carl Reitz habe ich an dieser Stelle Freundschaft geschlossen.


  1. Gemeint sind die deutschen Soldaten, die vielfach Vollbärte tragen.

Personen: Preis, Heinrich
Empfohlene Zitierweise: „Tagebuch des Soldaten Heinrich Preis aus Moischt (1914-1915), Abschnitt 12: Ruhige Tage in der Stellung in den Karpaten“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/3-12> (aufgerufen am 18.05.2024)