Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Kriegsgedichte in der Fuldaer Zeitung, August 1914

Abschnitt 3: Ludwig Nüdling, Das Land in Gefahr (Gedicht)


Das Land in Gefahr! Alle Truppen mobil!

So friedlich das Dorf! Vom Acker nach Haus
Trägt singend ein Kind den Kornblumenstrauß.
Die Kleinen spielen im Hof mit Sand —
Und Sonnenschein über allem Land. —
Da schrillt die Klingel am Telephon,
Da knistert's im Hörer, da ruft es schon
Und ruft es hinaus bis an's fernste Ziel,
„Das Land in Gefahr! Alle Truppen mobil"
Es läuft wie der Wind das geflügelte Wort
Durch's Dorf bis zur letzten Hütte fort.
Entlockt dem Weib einen Schreckensschrei,
Weil ihr Aeltester ruft: „Ich bin dabei!"
Die Schwester weint. Doch mit festen Schritt
Tritt der Zweite zum Bruder: „Auch ich gehe mit !"
Der Dritte rüttelt am Zaun einen Pfahl:
„Ha, wärst du ein Schwert von blankem Stahl!"
Da leidets den Kleinen beim Spiel nicht mehr:
„Schnell holt mir den Helm vom Christkind her!"
Da küßt der Vater sein jüngstes Kind,
Zerdrückt mit den Wimpern die Träne geschwind.
Und spricht zur Mutter: „Sei still, sei still!
Auch ich ziehe mit, wenn's der Kaiser will!"
So steh'n sie nun alle geschlossen im Kreis,
Die Lippen stumm, doch die Herzen heiß.
Und zum heiligen Schwur gehoben die Hand
„Mit Gott — für König und Vaterland!"

Ludwig Nüdling.


[Veröffentlicht in der Fuldaer Zeitung vom 12. August 1914]


Personen: Nüdling, Ludwig
Sachbegriffe: Kriegsgedichte · Fuldaer Zeitung
Empfohlene Zitierweise: „Kriegsgedichte in der Fuldaer Zeitung, August 1914, Abschnitt 3: Ludwig Nüdling, Das Land in Gefahr (Gedicht)“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/120-3> (aufgerufen am 06.05.2024)