Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

Inhalt

↑ Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918

Abschnitt 8: Vormarsch durch Südbelgien nach Frankreich

◀ [11-12] Als Vortrupp traten die Jäger am 26. August um 6 Uhr vormittags den Weitermarsch über Couvin–Pesche–Bouly de Pesche–Petit Chapelle–Rocroi über die französische Grenze auf Le Tremblois cm. Die vor dem Bataillon sichernde Radfahrkompagnie stieß um 3 Uhr 30 nachmittags auf eine feindliche Patrouille, die sogleich unter Feuer genommen und vertrieben wurde. Kurz vor Le Tremblois schlug der Radfahrerspitze aus einem Wäldchen schwaches Gewehrfeuer entgegen. Die herankommende Radfahrkompagnie saß ab und entwickelte sich beiderseits der Straße zum Angriff, vor dem der Feind zurückwich. Der Radfahrkompagnie kostete das kurze Gefecht ihren Führer Hauptmann v. Wiese, der schon beim Verlassen der Straße einen tödlichen Kopfschuß erhielt, und den Jäger Leinweber. Die Führung der Kompagnie übernahm Leutnant Prinz zu Solms. Beim Heraustreten aus dem Wald stellte sich heraus, daß Le Tremblois von [S. 12] schwächerem Feind besetzt war, der hinter Hecken und Häusern gut gedeckt lag. Das Bataillon entwickelte sich zum Angriff, der vom Feuer der Maschinengewehr-Kompagnie kräftig unterstützt wurde. Die französische Infanterie und eine von der 4. Kompagnie auf 1200 Meter beschossene Batterie bauten unter Zurücklassen von 4 Toten bald ab. 11 Jäger waren im Laufe des Gefechts verwundet worden. Le Tremblois wurde zum Ortsbiwak des Bataillons bestimmt und durch Vorpostenaufstellung gesichert. Wenig erfreut war man, als sich herausstellte, daß die Gefechtsbagage mit den Feldküchen nicht herangekommen war. Zu hungern brauchte trotzdem niemand, denn mit 2 requirierten Kraftwagen war Brot verschafft worden und in Le Tremblois fanden sich mehrere Millionen Eier enthaltende Kalkbassins. Bald schwamm das Bataillon in Eiern – gebacken, gekocht, gerührt und größtenteils roh genoß man den unerwarteten Fund.

Wie nah der Feind stand, klärte sich erst am nächsten Morgen, als das Bataillon antrat, um sich gemeinsam mit dem Leibgrenadierregiment 100 des Sormonne-Abschnitts¹ zu bemächtigen. Kaum verließ die Spitze den südlichen Ortsrand, als aus nicht vielmehr als 500 Meter entfernten Stellungen Infanteriefeuer herüberprasselte, und schon kamen mit durchdringendem Pfeifen Granaten und Schrapnells² aus etwa 1500 Meter entfernt stehenden französischen Feldgeschützen herangefegt. Krachend fuhren sie in die Häuser – Dachziegel Mauerkalk, Sprengstücke und Schrapnellkugeln in die bereitstehenden Truppen schleudernd. Verluste traten ein. Schnell entwickelte stch das Bataillon mit der 1., 2. und zwei Zügen der 3. Kompagnie in vorderer Linie und überschritt den Sormonne-Bach. Dem weichenden Gegner stieß es nach bis zu den Höhen nördlich L'Echelle. Im heftigen Regen ging' s durch Schluchten und über Drahtzäune bis zu den Höhen vor dem Ort. Die nun in vorderer Linie vorgehende 4. Kompagnie kam unbehelligt in den Ort hinein, während die folgenden mit heftigstem Artilleriefeuer überschüttet und hinter die Höhen zurückgenommen wurden. Oberleutnant d. R. Beutin wurde verwundet und übergab die Führung der 1. Kompagnie an Oberleutnant v. Scheffer. Auf höheren Befehl marschierte das Bataillon bei Einbruch der Dunkelheit nach Blombay und bezog dort Ortsbiwak. Außer Oberleutnant Beutin verlor das Bataillon in diesem zweiten Gefecht bei Le Tremblois 1 Toten und 20 Verwundete. Die fehlenden Feldküchen wurden wieder durch in Kraftwagen herangeholtes Brot und Eier aus Le Tremblois ersetzt. In der Nacht traf die nach mühsamem Suchen von Leutnant d. R. Berger endlich aufgefundene Gefechtsbagage mit den Aerzten, den Feldküchen, Patronenwagen und den Dächsen wieder beim Bataillon ein. ▶

1. La Sormonne, kleiner Nebenfluss der Maas nordwestlich Charleville-Mézières. ↑
2. Schrapnells, mit Streukugeln gefüllte Artilleriegranaten. ↑