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Großversuch „Tempo 100“ auf hessischen Autobahnen, 12. November 1984

Auf mehreren südhessischen Autobahnstrecken beginnt der Großversuch „Tempo 100“. Ein Alleingang der rot-grünen Landesregierung in der bundesweit diskutierten Frage nach Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Fernstraßen war seit Beginn des Jahres diskutiert worden. Der erste Autobahn-Teilabschnitt, auf dem das Tempolimit gilt, ist die A 66 zwischen Wiesbaden und Frankfurt am Main. Es folgen die A 661 zwischen Offenbach am Main und Egelsbach und die A 5 zwischen Darmstädter Kreuz und Heidelberg, wo jedoch die Höchstgeschwindigkeit auf 120 km/h festgesetzt wird. Im Gegensatz zum Großversuch der Bundesregierung sollte auf den drei Teststrecken in Hessen nicht erforscht werden, wie sich langsameres Fahren auf die Schadstoffemission und den Treibstoffverbrauch auswirkt. In Hessen sollte nur herausgefunden werden, wie die Autofahrer auf das Tempolimit reagieren und wie sich das Schnellfahrverbot auf das Unfallgeschehen auswirkt.

Wissenschaftlich begleitet und ausgewertet wird der Versuch von der Technischen Hochschule Darmstadt, die bereits im August 1985 erste Ergebnisse der Erhebungen vorlegt, allerdings vorläufig nicht zur Entwicklung der Unfallzahlen, sondern zur Akzeptanz der Maßnahme bei den Autofahrern. Demnach halten sich auf der Strecke Offenbach-Egelsbach 40 Prozent, auf der Strecke Frankfurt-Wiesbaden 45 Prozent und auf dem Abschnitt Darmstadt-Heidelberg 60 Prozent an das verordnete Tempolimit. Der Anteil derjenigen Verkehrsteilnehmer, die die Geschwindigkeitsbeschränkung um nicht mehr als zehn Kilometer pro Stunde überschreiten, beträgt 25 Prozent auf den beiden Autobahnabschnitten mit Tempo 100, und 20 Prozent auf dem Teilstück der A 5, wo Tempo 120 gilt. Nur etwa zehn bis 15 Prozent der Autofahrer überschreiten die festgesetzte Höchstgeschwindigkeit um mehr als 20 km/h.1

Erfahrungen mit einem generellen Tempolimit von 100 km/h auf Bundesautobahnen hatte man bereits von November 1973 bis März 1974 sammeln können. Die vorübergehende Beschränkung war aufgrund der Ölkrise eingeführt worden. Zum damaligen Zeitpunkt verringerte sich die Zahl der Unfalltoten im Autobahnverkehr um etwa die Hälfte.

Der 1973/74 beobachtete Rückgang der Zahl schwerer Unfälle wird schließlich im Rahmen der im Mai 1987 beendeten Versuchsphase mit „Tempo 100“ in Hessen bestätigt. Eine Auswertung der statistischen Daten erbringt, dass die Anzahl der Unfälle mit Toten oder Schwerverletzten im Verhältnis zum Verkehrsaufkommen (je Mrd. Fahrzeugkilometer) auf den Versuchsstrecken mit Geschwindigkeitsbeschränkung um etwa 25 bis 50 Prozent zurückging.

Anfang Mai 1987 werden die Tempobeschränkungen vom neuen hessischen Staatsminister für Wirtschaft und Technik Alfred Schmidt (geb. 1938; FDP) zum Großteil wieder aufgehoben. Auf der Autobahn A 5 zwischen dem Darmstädter Kreuz und der Landesgrenze zu Baden-Württemberg entfallen die Tempo 120-Beschränkungen, an der A 661 zwischen Offenbach am Main und Egelsbach werden die Tempo 100-Schilder beseitigt. Allein auf der A 66 zwischen Frankfurt und Wiesbaden werden die Geschwindigkeitsbeschränkungen an Unfallschwerpunkten zum Teil beibehalten; auf den nicht als besonders gefährlich ausgewiesenen Teilstrecken wird die Geschwindigkeitsgrenze von 100 auf 130 Stundenkilometer angehoben.2
(KU)


  1. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.8.1985, S. 29.
  2. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.5.1987, S. 1: Hessen hebt Tempo-Limits teilweise auf.
Belege
Empfohlene Zitierweise
„Großversuch „Tempo 100“ auf hessischen Autobahnen, 12. November 1984“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/1494> (Stand: 12.11.2020)
Ereignisse im Oktober 1984 | November 1984 | Dezember 1984
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