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Gründung des Automobilherstellers „Röhr Auto AG“ in Ober-Ramstadt, 30. Oktober 1926

Hans Gustav Röhr (1895–1937) gründet zusammen mit Hugo Greffenius (1876–1954) die „Röhr Auto AG“ in Ober-Ramstadt bei Darmstadt. Die Höhe des eingezahlten Kapitalgrundstocks der Aktiengesellschaft beläuft sich zunächst auf 500.000 Reichsmark. Die Leitung des neuen Unternehmens übernimmt Hans Gustav Röhr gemeinsam mit Helmut von Oven; im Aufsichtsrat sitzen der Maschinenbau-Ingenieur und Hochschullehrer Otto Berndt (Professor für Maschinenkunde und Technologie an der Technischen Hochschule Darmstadt), der Bankier Otto Hirsch (Frankfurt am Main) und der Rechtsanwalt Dr. Adolf Salomon (Vorsitzender).

Vielversprechende Anfänge als Flugzeugkonstrukteur

Bereits als Schüler stark an Flugzeugtechnik interessiert, gelangte der aus einer Unternehmerfamilie in Uerdingen1 bei Krefeld (Rheinland) stammende Hans Gustav Röhr 1911 als Praktikant zu den „Rheinischen Aerowerken“ in Düsseldorf-Oberkassel, wo er bereits 1912 gemeinsam mit dem Ingenieur und späteren Mitarbeiter der Automobilfirma Röhr Joseph Dauben (1889–1960) ein Flugzeug mit Fünfzylinder-Sternmotor aus Motorradzylindern und stabgestützten Tragflächen fertigstellte.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs meldete sich Hans Gustav Röhr freiwillig zu den Jagdfliegern, bevor er 1917 als Fliegerleutnant bei der „Priamus-Automobilwerke GmbH“ in Köln-Zollstock wieder zum Konstrukteur-Beruf zurückkehrte und einen extrem leistungsstarken 600 PS-Höhen-Flugmotor ersann, dessen Bau er durch eine finanzielle Beteiligung an der Firma durchsetzte. Bei Kriegsende entschied man sich jedoch, das fortschrittliche Flugzeug-Aggregat zu zerstören, um es nicht in feindliche Hände gelangen zu lassen. Röhr arbeitete von 1919 bis 1921 als Geschäftsführer bei Priamus.

Kriegsbedingter Wechsel ins Automobil-Fach

Da dem Deutschen Reich der Bau von motorbetriebenen Luftfahrzeugen untersagt wurde, wechselte Röhr zum Fahrzeugbau. 1919 präsentierte er einen zusammen mit Dauben entworfenen Leichtbau-Zweisitzer mit luftgekühltem 1,5 Liter-Vierzylindermotor, Rahmenboden-Plattform und vorderer Schwingachse. Diesem ersten Prototypen, dessen technische Ausführung ähnlich wie der im Krieg erdachte Flugzeugmotor seiner Zeit voraus war, folgte 1920 ein ebenfalls zukunftsweisendes viersitziges Automobil mit Vierradbremse und Breitspur-Fahrwerk. Als Mitinhaber und Mitgesellschafter der elterlichen Bleiwerke und leitender Angestellter der 1921 Konkurs anmeldenden Priamus-Werke nahm er 1921 Kontakt zur Firma des Berliner Unternehmers und früheren deutschen Jagdfliegers Carl Bolle (1893–1955) in Berlin-Charlottenburg auf. Dort konstruierte Röhr 1924 einen weiteren Automobil-Prototypen mit Protos-Sechszylinder-Motor, Schubkastenrahmen und Vollschwingachsen. Der Wagen zeichnete sich durch eine ungewöhnlich gute Straßenlage aus. Röhr gelang es trotz der Vorzüge seines Gefährts nicht, einen Lizenznehmer unter den etablierten Kraftfahrzeugherstellern zu finden, um den Serien-Bau des Wagens zu realisieren. Dies führte schließlich zu dem Entschluss, die notwendigen Finanzmittel mit Unterstützung des Frankfurter Bankhauses Otto Hirsch & Co. selbst zu beschaffen, das Auto selbst zu produzieren und den Wagen unter eigenem Namen zu vermarkten. Zu diesem Zweck übernimmt Hans Gustav Röhr bei der Firmengründung die Produktionsstätte der früheren Falcon Automobilwerke in Ober-Ramstadt etwa zehn Kilometer südöstlich von Darmstadt.

Abschied von der Röhr Auto AG in der Wirtschaftskrise

Die Röhr Auto AG muß 1930 aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage ein Vergleichsverfahren eröffnen und die Fertigung für kurze Zeit ganz einstellen. Zwar gelingt es, das Unternehmen zu retten und die Produktion bereits im April 1931 erneut zu starten (mit Einverständnis der Gläubiger wird die Röhr Auto AG von dem schweizerischen Röhr-Generalvertreter Joos Andreas Heintz übernommen), doch Hans Gustav Röhr muss die von ihm gegründete Firma verlassen. Er arbeitet jedoch in den folgenden Jahren erfolgreich bei größeren deutschen Automobilherstellern, zunächst ab Mai 1931 als Chefkonstrukteur bei der Adlerwerke AG in Frankfurt am Main und ab 1935 bei der Daimler-Benz AG in Sindelfingen. Hans Gustav Röhr stirbt am 10. August 1937 im Alter von 42 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung.
(KU)


  1. Vater Gustav Röhr (1844–1914) gründete in Caldenhausen bei Uerdingen ein Mahl- und Bleiwalzwerk.
Belege
Weiterführende Informationen
Hebis-Klassifikation
545070 ,Industriebetrieb
Hebis-Schlagwort
Ober-Ramstadt ; Röhr-Auto AG ; Ober-Ramstadt / Röhr-Auto AG ; Röhr, Hans Gustav ; Biographie / Röhr, Hans Gustav
Empfohlene Zitierweise
„Gründung des Automobilherstellers „Röhr Auto AG“ in Ober-Ramstadt, 30. Oktober 1926“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/5230> (Stand: 30.10.2020)
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