Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Erhebliche Probleme bei der Evakuierung der deutschen Bevölkerung aus den westlichen Grenzgebieten, 8. November 1939

Der Bericht des Sicherheitshauptamts der SS zur innenpolitischen Lage vom 8. November 1939 beschreibt und kritisiert die Probleme bei der Räumung der westlichen Grenzzone und der sogenannten Rückführung der dortigen Bevölkerung in das Reichsinnere. Die Aktion sei zwar gut vorbereitet gewesen, die Durchführung aber habe durch Organisationsmängel und Kompetenzüberschneidungen teilweise stark versagt. Schwierigkeiten habe es vor allem beim Weitertransport der „Flüchtlinge“ aus ihren Sammel- und Stopgebieten in die endgültigen Bergungsgebiete wegen unzureichender Aufklärung gegeben, aber auch dadurch, dass die Menschen nur unzureichende Kleidung und andere Bedarfsgegenstände mitgenommen hätten. Bis zu 80 Prozent der Rückgeführten hätten sich deshalb eigenmächtig abgesetzt oder seien auf „wilder Wanderschaft“.

Die Unterbringung der von der Bevölkerung vielerorts sogenannten „Räumlinge“ in den Bergungsgebieten [leide] über die allgemein bestehenden Erschwernisse der Lebensführung hinaus häufig unter der Unfreundlichkeit bzw. dem wirtschaftlichen Unvermögen der quartiergebenden Bevölkerung einerseits und dem anmaßenden, anspruchsvollen und auch wenig rücksichtsvollen Verhalten der rückgeführten Bevölkerung andererseits. Meldungen zufolge werde das Verhältnis der rückgeführten zur einheimischen Bevölkerung teilweise durch asoziale und gegnerische Elemente getrübt, welche Gerüchte über angeblich wüste Zustände im Räumungsgebiet verbreiten. Zeitweise ist es zu illegaler Versammlungstätigkeit der Rückgeführten – besonders in Hessen – gekommen. Sie konnte meist rechtzeitig unterbunden und die Versammlungs- und Schulungstätigkeit der Partei gesteigert werden.

In Einzelfällen haben sich die Rückgeführten sehr erbittert gezeigt, in denen sie von der einheimischen Bevölkerung „Saarfranzosen, Stockfranzosen und Zigeunervolk“ bezeichnet wurden. In vielen Fällen ist bekannt geworden, daß rückgeführte Frauen ihren Männern an der Front über die ihnen widerfahrenen Schwierigkeiten geschrieben haben. Diese Schilderungen sollen teilweise begreiflicherweise verbitterte Stimmung bei den betreffenden Truppenteilen ausgelöst haben.
(OV)

Belege
Empfohlene Zitierweise
„Erhebliche Probleme bei der Evakuierung der deutschen Bevölkerung aus den westlichen Grenzgebieten, 8. November 1939“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4674> (Stand: 7.6.2021)
Ereignisse im Oktober 1939 | November 1939 | Dezember 1939
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