Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Biografie

Hessen und bei Rhein, Ludewig I. Großherzog von [ID = 1323]

* 14.6.1753 Prenzlau, † 6.4.1830 Darmstadt, Begräbnisort: Darmstadt seit 1910 auf der Rosenhöhe, evangelisch-lutherisch
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Andere Namen

Weitere Namen:

  • Hessen-Darmstadt, Ludwig X. Landgraf von
Wirken

Werdegang:

  • getauft in Prenzlau, St. Nikolai, Paten: der regierende Landgraf von Hessen-Darmstadt (Großvater), die verwitwete Herzogin von Zweibrücken, der König von Preußen, Prinz Heinrich von Preußen und Gemahlin, Prinz Ferdinand von Preußen, Herzog von Wolfenbüttel und Gemahlin, Herzogin von Gotha, die hessischen Landstände, die Könige von England, Polen und Schweden
  • seit 1765 war der Geschichtsschreiber und Hofbibliothekar Bernhard Wenck sein Lehrer
  • 16.4.1756 Obrist im Regiment des Erbprinzen in Darmstadt
  • 15.10.1765 Brigadier der hessischen Infanterie
  • 26.11.1765 Inhaber der durch den Tod des Generalmajors Wilhelm Heinrich von Driesch vakant gewordenen Kompanie im Regiment Erbprinz
  • 10.6.1769 Generalmajor
  • Herbst 1769-Herbst 1771 Universität Leyden, begleitet von Franz Michael Leuchsenring
  • 14.6.1770 Colonel (Obrist) bei den Truppen der Niederlande
  • 1773 in Begleitung des Baron Grimm Besuch bei Friedrich dem Großen
  • nach der Heirat der Wilhelmina 16.6.1774 Kaiserlich-Russischer Brigadier mit Anciennität vom 4.10.1773
  • 21.12.1774 Kaiserlich-Russischer Generalleutnant
  • 7.9.1775 nach Darmstadt beurlaubt, 1776 in Weimar. Goethe schreibt an Merck am 16.9.1776: „Dein Erbprinz kommt nun bald zu Euch. Den empfehl ich Dir sehr, es ist eine große, feste treue Natur mit einer ungeheuren Imagination und einer geraden, tüchtigen Existenz.“ (Vehse, S. 425)
  • 1779 Inspekteur der in Darmstadt und Gießen liegenden Regimenter und Direkteur des Kriegskollegs in Darmstadt
  • 21.12.1774 Ritter des Kaiserlich-Russischen St. Andreas-Ordens
  • 29.5.1787 Ritter des Königlich Preußischen Schwarzen Adler-Ordens
  • Ritter des St. Hubertus-Ordens
  • Freimaurer
  • 6.4.1790 regierender Landgraf von Hessen-Darmstadt
  • 13.8.1806 Großherzog von Hessen
  • 7.7.1816 Großherzog von Hessen und bei Rhein

Funktion:

  • Hessen-Darmstadt, Landgraf, 1790-1806
  • Hessen und bei Rhein, Großherzog, 1806-1830

Netzwerk:

Familie

Vater:

Hessen-Darmstadt, Ludwig IX. Landgraf von, * Darmstadt 15.12.1719, † Pirmasens 6.4.1790

Mutter:

Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld, Caroline* Henriette Louise Prinzessin von, 1721-1774

Partner:

  • Württemberg, Sophie Dorothea Prinzessin von, verlobt Mömpelgard 27.3.1776, älteste Tochter des Prinzen Friedrich II. von Württemberg, die Verlobung wurde gelöst und die Prinzessin verlobte sich 25.7.1776 mit Paul I. Petrowitsch Zar von Rußland (⚭ Heirat 26.9.1776), nachdem dessen erste Gemahlin, die Schwester Ludewigs, Wilhelmina, am 15.4.1776 bei der Geburt eines Prinzen verstorben war
  • Hessen und bei Rhein, Luise* Henriette Caroline Großherzogin von, (⚭ Darmstadt, Palais des Prinzen Georg, 19.2.1777), verlobt 11.1.1777, 1761-1829, Großherzogin von Hessen und bei Rhein

Verwandte:

Nachweise

Quellen:

  • Georg Freiherr von Wedekind, „Zum dankbaren Andenken des hohen [Maurer-]Bruders Landgrafen Christians von Hessen, Darmstadt den 23. May 1830“, als Anhang zu „Zum Andenken Ludewigs I., Großherzogs von hessen und bei Rhein, gesprochen im Oriente von Darmstadt in der Trauerloge am 23. May 1830“

Literatur:

Bildquelle:

Wir Wilhelm von Gottes Gnaden, Abb. 86. - Pastell von G.L. Gläser, um 1820 (Ausschnitt)

Leben

In Ludwigs Lebens- und Regierungszeit vollzog sich der Übergang vom aufgeklärten Spätabsolutismus zum bürgerlichen Verfassungsstaat. Die Erziehung im elsässischen Buchsweiler prägte die vielseitig interessierte „große Landgräfin“ Karoline; der Vater, der ihn nominell schon 1756 zum Obristen ernannt hatte, exerzierte nach der Rückkehr aus dem preußischen Prenzlau mit den Grenadieren in seiner Soldatenstadt Pirmasens, wo er auch als regierender Landgraf blieb. Die militärische Ausbildung des Sohnes begann wohl erst mit der Rückkehr nach Darmstadt, wurde aber 1769 durch zwei Studienjahre des nunmehrigen Erbprinzen in Leiden unterbrochen, wo er offiziell als niederländischer Oberst firmierte. Die anschließende Bildungsreise nach London und Paris brachte engere Kontakte mit den Aufklärern Diderot und d’Alembert.

1773 folgte der Erbprinz Mutter und Schwestern über Berlin nach St. Petersburg zur Teilnahme an Wilhelmines Hochzeit mit dem Zarewitsch. Im nachfolgenden Türkenkrieg nahm Ludwig am Feldzug Graf Rumjanzews in der Dobrudscha teil und avancierte zum russischen Generalleutnant, ließ sich aber im Herbst 1775 beurlauben. Die im März 1776 in Mömpelgard gefeierte Verlobung mit Sophie Dorothea von Württemberg wurde binnen weniger Monate wieder gelöst, da die Braut nach dem dubiösen Tod der hessischen Natalie/Wilhelmine von Zarin Katharina für ihren Sohn Paul reklamiert wurde. Ludwig ließ sich in Weimar von der im Vorjahr mit Herzog Karl August verheirateten Schwester Luise trösten; Goethe bestätigte ihm in einem Brief an den Darmstädter Freund Kriegsrat Merck eine große, feste, treue Natur mit einer ungeheueren Imagination und einer graden tüchtigen Existenz. Zurück in Darmstadt, heiratete Ludwig dort seine Cousine Luise und übernahm mit ihr – neben militärischen Aufgaben als Generalinspekteur und Direktor des Kriegskollegs – die landesherrliche Repräsentation, wozu auch die Reaktivierung des Theater- und Musiklebens unter Beteiligung von Hof und Bürgerschaft gehörte.

Der Reformwille, den der kurz nach Regierungsantritt 1790 erlassene „Freiheitsbrief“ für die Katholiken signalisierte, wurde zunächst durch die Auswirkungen der Französischen Revolution gebremst, die nach dem Verlust der linksrheinischen Grafschaft Hanau-Lichtenberg zeitweilig zur Evakuierung von Hof und Regierung führten. Der durch Subsidien aus England und Holland finanzierte Einsatz hessischer Regimenter gegen Frankreich endete mit der Neutralitätskonvention von 1790. Der Reichsdeputationshauptschluss brachte ansehnliche Gebietsgewinne in der künftigen Südprovinz Starkenburg, in der Wetterau und im kölnischen Westfalen, die den Anstoß zu umfassenden Verwaltungsreformen gaben. Mit dem unter dem Druck französischer Besatzung vollzogenen Anschluss an den Rheinbund folgte mit der Mediatisierung der Grafen und Fürsten von Erbach, Leiningen, Solms und Stolberg der für das benachbarte Baden aus Florenz entliehene Großherzogs-Titel. Bezahlt wurde mit dem verlustreichen Einsatz hessischer Truppen für Kaiser Napoleons Kriegszüge in Spanien und Russland. Der nach der Leipziger Schlacht 1813 vollzogene Frontwechsel führte zur Absicherung der territorialen Neuordnung auf dem Wiener Kongress mit dem Tausch Westfalens gegen das künftige Rheinhessen und der Titelerweiterung „bei Rhein“. Das Verfassungsversprechen der Bundesakte führte erst unter dem Druck der von den burschenschaftlichen „Schwarzen“ inszenierten „wilden Landtage“ zur Verfassung von 1820, die von zahlreichen Reformen in Verwaltung und Justiz, Kirche und Schule, Landwirtschaft und Gewerbe begleitet wurde.

Die Erziehung der Untertanen zu Bürgern war wichtiges Motiv der engagierten Kulturpolitik des Großherzogs, bei der ihn der fast lebenslange Kabinettschef Ernst Schleiermacher (1755–1844) unterstützte. Dazu gehörten die Öffnung von Hofbibliothek und Museum (1817/20), ein umfassendes Stipendienprogramm für Künstler und Musiker und der Neubau des Hoftheaters (1819) mit 1800 Plätzen, das (so meinte man) zu den rund 20.000 Bewohnern der Residenz in einem richtigen Verhältnis stand. Der Architekt, Oberbaudirektor Georg Moller (1784–1852), hat den aufs Land ausstrahlenden klassizistischen Regierungsbaustil maßgeblich beeinflusst, hat aber gleichzeitig auch die großherzogliche Denkmalschutz-Verordnung von 1818 konzipiert, die er seinem magnum opus „Denkmäler der deutschen Baukunst“ vorangestellt hat. Beherrschender Blickpunkt Darmstadts ist nach wie vor der „lange Ludwig“, das 1844 eingeweihte „Monument“ des ersten Großherzogs im Zentrum der sogen. „Moller-Stadt“.

Eckhart G. Franz

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 322-324)

Zitierweise
„Hessen und bei Rhein, Ludewig I. Großherzog von“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/118729446> (Stand: 25.3.2024)