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Offizielle Eröffnung der Verbraucherzentrale Hessen in Frankfurt, 21. Oktober 1959

Im Sitzungssaal der Industrie- und Handelskammer in Frankfurt am Main wird die bereits im Februar gegründete „Verbraucherzentrale Hessen e. V.“ feierlich eröffnet. Die Institution, deren Errichtung 1958 durch eine Initiative lokaler hessischer Frauenverbände vorbereitet und im Winterhalbjahr 1958/59 durch die Eröffnung von drei Verbraucherberatungsstellen in Frankfurt am Main, Kassel und Wiesbaden begleitet wurde, will (nach Worten der am 22. Oktober von der Veranstaltung berichtenden Frankfurter Allgemeinen Zeitung) aufklärend, unterrichtend und warnend wirken und damit die Position des Verbrauchers gegenüber der Wirtschaft stärken. Wer ein Geschäft betritt, soll nicht mehr hilflos dem kaum überschaubaren Angebot an Waren gegenüberstehen, sondern als aufgeklärter-Kunde seine Wahl mit optimalem Nutzeffekt treffen können. Darin will die Zentrale ihre Aufgabe sehen: Durch ihren Markteinfluß die Produzenten dazu zu bewegen, noch mehr als bisher auf die Bedürfnisse des Verbrauchers Rücksicht zu nehmen.1 Der die Verbraucherzentrale Hessen mit einer Rede förmlich eröffnende Staatssekretär im Hessischen Ministeriums für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr, Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Reuß (1897–1979) betont die Bedeutung der Einrichtung als ein mit staatlicher Unterstützung institutionalisiertes Bindeglied zwischen Verbrauchern, Produzenten und dem Land Hessen.

In einem sich anschließenden Podiumsgespräch unter Leitung des an der Universität Frankfurt am Main lehrenden Experten für Wirtschaftswerbung Prof. Hanns F. J. Kropff (1882–1963) kommen bereits erste dringende Aufgaben der neu geschaffenen Verbraucherzentrale zur Aussprache. Gegenüber dem anwesenden Vertreter der pharmazeutischen Industrie wird in einer lebhaften Debatte von der Ausnutzung der Ängste von Patienten und Kunden durch die Arzneimittelhersteller gesprochen. Vorwürfe werden laut, das Unternehmen dieser Branche in Inseraten Tabletten und Säfte gegen Herzinfarkte und Magengeschwüre anpriesen und damit in die ärztliche Sphäre einzudringen versuchten. Die Verbraucherzentrale könne dem Publikum am besten damit dienen, wenn sie Mißstände dieser Art aufgreife und den interessierten Fachverbänden zur gerichtlichen Verfolgung übergäbe, denn vor allem kranke Menschen seien labil und ließen sich mit den übertriebensten Werbeversprechen zum Kauf von unsinnigen Artikeln verleiten.
Der beklagte Pharma-Vertreter streitet daraufhin eine gezielte Suggestivwerbung der Branche nicht ab. Als Entgegnung bringt er die von den Gästen belächelte Formulierung: In der Heilmittelbranche könne man auf die Suggestivwerbung nicht verzichten; denn die Heilwirkung mancher Präparate sei um so größer, je fester der Kranke an sie glaube.

Die Initiatoren und Unterstützer der Verbraucherzentrale betonen demgegenüber, dass man sich vor allem als Kontaktstelle zwischen dem Kunden und der Wirtschaft betrachte. Man wolle indirekt Einfluß nehmen auf die Fabrikationsprogramme und auf den Handel, überdies auch die Preise beobachten und im geeigneten Augenblick auf Mißstände aufmerksam machen. Die staatlichen Stellen knüpfen an diese Absicht die Hoffnung, daß auf diese Weise die Hilferufe an die Ministerien, marktregulierend einzugreifen und den Verbraucher zu schützen, seltener zu hören sein werden.
(KU)


  1. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.10.1959, S. 15: Der organisierte Kunde: In Frankfurt wurde die „Verbraucherzentrale Hessen“ eröffnet. Alle folgenden Zitate ebenfalls nach dieser Quelle.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Offizielle Eröffnung der Verbraucherzentrale Hessen in Frankfurt, 21. Oktober 1959“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4757> (Stand: 21.10.2022)
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