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Der Hessische Rundfunk schließt einen Vertrag zur Produktion von Spots mit seinem Maskottchen „Onkel Otto“, 17. März 1958

Der Hessische Rundfunk schließt mit dem Werbefilmer und Grafiker Hans Fischerkoesen (1896–1973) über die Verwendung und Produktion von Zeichentrick-Sequenzen mit dem fortan als Maskottchen des HR dienenden „Onkel Otto“, einer grauen Seehund-Trickfilmfigur. Fischerkoesen erhielt bereits 1957 den Auftrag, eine Figur zu schaffen, deren Gestalt (so wie auch in dem am 17. März 1958 geschlossenen Vertrag wörtlich festgehalten) ein „Fernsehhund“ sein soll. Erste Sequenzen mit „Onkel Otto“, der tatsächlich nicht als Hund, sondern als Seehund in Erscheinung tritt, laufen als Bestandteil der Sendung „Zwischen Halb und acht“ zwischen – der Name der Sendung sagt es bereits – 19:30 und 20 Uhr im Vorabendprogramm des von HR ausgestrahlten „Dritten“ Fernsehprogramms.

Das Maskottchen trägt in den ersten Monaten seines Daseins im Vorabendprogramm noch keine offizielle Bezeichnung, bis der HR schließlich das Publikum auffordert, Vorschläge zur Namensgebung zu machen. Der Name „Onkel Otto“ taucht schließlich erstmals am 16. April 1958 in einer Zeitungswerbung des Hessischen Rundfunks auf. Seinen Namen muss der „Fernseh-(See)hund“ also zwischen dem 17. März und dem 16. April 1958 erhalten haben. Tatsächlich sprechen sich zur Überraschung der HR-Mitarbeiter die meisten Befragten für den Namen „Onkel Otto“ aus. Der Sympathieträger des Hessenfernsehens ist bald auch im Werbeprogramm der ARD zu sehen. Ab 1965 gesellt sich in den Spots das Findelkind „Junior“, ebenfalls ein Seehund, hinzu und sorgt für zusätzliche Abwechslung.

Hochkonjunktur der Werbefiguren im deutschen „Wirtschaftswunder“

Die Trickfilme mit „Onkel Otto“ (von denen bis heute – 2012 – mehr als 1.000 unterschiedliche Spots entstanden) werden anfangs von Heinz Tischmeyer (geb. 1913) gezeichnet, der in Fischerkoesens Produktionsfirma als Haupt- und Chefzeichner einer Mitarbeitergruppe tätig ist. Aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs zu Ende der 1950er Jahre haben auch die Kino- und Fernsehwerbefiguren Hochkonjunktur, denn sie werden benötigt, um für die rasant wachsende Zahl der von den Lichtspielhäusern gezeigten und von den Fernsehsendern zu bestimmten Zeiten unmittelbar nacheinander ausgestrahlten Werbespots kurze, gut erkennbare Unterbrechungen zu schaffen.

Hans Fischerkoesen, der „deutsche Walt Disney“

Der gebürtig aus Bad Kösen, einem Ortsteil von Naumburg an der Saale (Sachsen-Anhalt) stammende Hans Fischerkoesen (eigentlich: Hans Fischer) ist während der zweiten Hälfte der 1950er Jahre der erfolgreichste und populärste Werbefilm-Produzent in Westdeutschland. Für das mit finanzieller Unterstützung eines Seifenfabrikanten aufgebaute Unternehmen entsteht zunächst in Schloss Marienfels bei Remagen ein Studio, später bezieht die Firma Fischerkoesen-Filmstudio eine Villa bei Bonn-Bad Godesberg. Die Firma produziert jährlich etwa 35 Werbefilme und steht mit einem zeitweise erzielten Umsatz von mehr als sechs Millionen DM an der wirtschaftlich an der Spitze der etwa 100 in der Bundesrepublik arbeitenden Werbefilmanbieter. Als ertragreich erweist sich insbesondere die Vervielfältigung der Filme in der eigenen Kopieranstalt sowie der Verleih der Produkte über zwei eigene Vertriebsfirmen. Hans Fischerkoesen und sein Filmstudio sind auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs allerdings hauptsächlich im Bereich der Kinowerbefilme tätig; mit dem Aufkommen des Fernsehens und schließlich in den 60er Jahren auch zunehmend kritischeren Haltung der Verbraucher gegenüber der Produktwerbung (im September 1961 kommt die Zeitschrift „DM“ auf den Markt, die sich als erste Zeitschrift im deutschsprachigen Raum mit Warentests und Verbraucherschutz beschäftigt) beginnt sein Glanz langsam zu verblassen. Anfang der 70er Jahre stellen die Fischerkoesen-Filmstudios aufgrund interner wirtschaftlicher Streitigkeiten der Inhaber die Produktion von Werbefilmen ein und das Studio wird. Hans Fischerkoesen, von Kennern der Werbefilmbranche posthum vielfach als „deutscher Walt Disney“ geehrt, stirbt am 23. April 1973. Die für den HR produzierte Figur „Onkel Otto“ bleibt einer der wenigen erfolgreichen Versuche seines Unternehmens, auch im neuen Massenmedium Fernsehen Fuß zu fassen: der von ihm gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Heinz Tischmeyer entwickelte „bekannteste Seehund Hessens“ (hr) mit der charakteristischen „H“-förmigen Antenne auf dem Kopf (später wird daraus ein „hr“) sorgt auch über 50 Jahre nach seiner Entstehung noch mit Späßen und Pannen […] für Kurzweil zwischen den Werbespots des Hessenfernsehens.

Heinz Tischmeyer erhält nach dem Ende des Fischerkoesen-Studios ein Engagement als Animator bei der „Neue-Filmproduktion“ in Frankfurt. Dort ist er von 1971 bis 1978 als Festangestellter und von 1979 bis 1990 als freischaffender Mitarbeiter insbesondere mit der Gestaltung der Mainzel-Männchen des ZDF befasst. Unter seiner Beteiligung entstehen die Bremer Stadtmusikanten, die das Werbeprogramm des auflockerten. Nachhaltig im Gedächtnis des Publikums verhaftet bleiben auch Karikaturzeichnungen, die er als Vorspann für die ZDF-Serien „Ein verrücktes Paar“ und “Drei Damen vom Grill“ entwirft.
(KU)

Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Der Hessische Rundfunk schließt einen Vertrag zur Produktion von Spots mit seinem Maskottchen „Onkel Otto“, 17. März 1958“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4755> (Stand: 17.3.2022)
Ereignisse im Februar 1958 | März 1958 | April 1958
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