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Hessische Biografie

Portrait

Philipp Maximilian Freiherr von Günderrode gen. von Kellner
(1745–1814)

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GND-Nummer

129790303

Günderrode gen. von Kellner, Philipp Maximilian Freiherr von [ID = 2786]

* 13.8.1745 Gießen, † 24.1.1814 Höchst a. d. Nidder
Jurist, Geheimer Rat, Komizialgesandter
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Andere Namen

Weitere Namen:

  • Günderode gen. von Kellner, Philipp Maximilian Freiherr von
Wirken

Werdegang:

  • Studium in Straßburg, Utrecht, dann Eintritt in Hessen-Kasselische Dienste als Regierungs-Assessor in Hanau
  • Hessen-Hanauischer Legationsrat, 1789 Fürstlich Hessen-Kasselischer Geheimer Rat, dann Hanauischer Geheimer Legationsrat in Hanau, Kammerherr, Generalmajor und Flügeladjutant
  • 1.9.1794-29.6.1806 Fürstlich Hessen-Kasselischer Geheimer Rat und Komitialgesandter beim Reichstag in Regensburg beim Reichstag
  • 1802-1803 Subdelegierter von Hessen-Kassel bei der Reichsdeputation, 1803-1806 auch Hessen-Kasselischer Gesandter am Königlich-Bayerischen Hof, 1803 (accreditiert 11.11.1803) auch Gesandter am kurfürstlichen Hof Carl Theodors Fürst von Regensburg und Aschaffenburg usw., 1805-1806 beim Kaiser
  • Mitglied des „Hauptausschusses“ der Reichsdeputation beim Reichstag bis zum Februar 1803, nach 1806 Rückkehr aus Wien
  • 1789 Erbe der Herrschaft Höchst an der Nidder: Mitglied der Mittelrheinischen Reichsritterschaft
Familie

Vater:

Günderrode, Johann Maximilian von, 1713–1784, 1745 Hessen-Darmstädtischer Oberamtmann in Bingenheim, wechselt 1751 in Hessen-Kasselische Dienste als Regierungsrat und Oberamtmann in Gelnhausen, Geheimer Regierungsrat und Rentkammer-Direktor in Hanau, Sohn des Friedrich Maximilian von Günderrode, 1684–1761, Bürgermeister, Schöffe und Ratsherr in Frankfurt am Main, und der Susanna Maria von Ruland, 1691–1758

Mutter:

Kellner, Susanna Maria von, 1721–1757

Partner:

  • Günderrode, Friederike Margarete Justine von, (⚭ Frankfurt am Main 23.11.1767) * Frankfurt am Main 17.12.1747, † Frankfurt am Main 10.9.1783, begraben in Höchst an der Nidder. Sie war ohne den linken Arm zur Welt gekommen und von außerordentlicher Schönheit, Tochter des Carl Justinian von Günderrode, Solms-Laubachischer Hofmeister und Kammerdirektor, und der Catharine Eleonore Justine von Kayb
  • Stein zu Nord- und Ostheim, Wilhelmine Freiin von, (⚭ Nordheim im Grabfeld 7.11.1791) * Nordheim 3.1.1767, † Höchst an der Nidder 13.12.1857, Tochter des Dietrich Philipp August Freiherr vom Stein zu Nord- und Ostheim, Kaiserlicher Wirklicher Geheimer Rat, Obristwachtmeister, und der Susanna Freiin von und zu der Tann

Verwandte:

  • Günderrode, Carl Maximilian Freiherr von <Sohn>, * Frankfurt am Main 28.3.1769, † Höchst an der Nidder 24.11.1806, Studium in Leipzig 3.11.1788, Großherzoglich-Hessischer Kammerjunker „Mit geistigen Anlagen reich ausgestattet, aber, da er sich an eine geregelte Thätigkeit nicht gewöhnen konnte und einen Hang zur Verschwendung hatte“, geriet er mit seinem Vater in ein Zerwürfnis und lebte seit 1797 in Altenburg, kehrte erst 1805 nach Höchst zurück. Er ist als letzter in der Günderrode-Gruft unter der Kanzel bestattet.
  • Lepel, Elisabeth Sophie Friederika Charlotte Luise Wilhelmine Susanna Freifrau von, geb. Freiin von Günderrode <Tochter>, * Höchst an der Nidder 1.9.1792, † Coburg 25.4.1850, verheiratet Höchst 1.9.1818 mit Ferdinand Freiherr von Lepel, Diplomat und Außenminister
  • Stein zu Nord- und Ostheim, Henriette Friederike Luise Sophie Freifrau von, geb. Freiin von Günderrode <Tochter>, * Höchst 7.12.1793, † Völkershausen 2.2.1869, Ehrendame des bayerischen Theresien-Ordens, verheiratet Höchst 4.10.1815 mit Dietrich Freiherr von Stein zu Nord- und Ostheim, * Weimar 14.5.1793, † Meiningen 3.12.1867, 1822 Landschafts-Direktor im Landtag von Sachsen-Hildburghausen, 1825 Geheimer Rat im Meiningenschen Ministerium, 1835 Obersteuerdirektor und Regierungs-Präsident in Gotha, 1846 Staatsminister, 1849 Bevollmächtigter bei der deutschen Zentralgewalt in Frankfurt am Main
  • Günderrode, Johann Eustach Dietrich Eduard Freiherr von <Sohn>, 1795-1876, Offizier, General-Leutnant, Flügeladjutant, Abgeordneter, Kammerherr
Nachweise

Literatur:

Leben

Philipp Maximilian von Günderrode studierte zusammen mit seinem Bruder Friedrich Justinian in Straßburg und Utrecht Rechts- und Staatswissenschaften und absolvierte ein Praktikum beim Reichshofrat in Wien.

Anschließend trat Günderrode als Regierungsassessor in Hanau in die Dienste Hessen-Kassels. Sein Vater war 1751 aus Darmstädter nach Kasseler Dienste übergetreten. Philipp Maximilian avancierte zum Hanauischen Legationsrat, 1789 zum Fürstlich Hessen-Kasselischen Geheimen Rat, dann zum Geheimen Legationsrat in Hanau, Kammerherrn, Generalmajor und Flügeladjutant des Landgrafen.

Anfang September 1794 begann Philipp Maximilian seine eigentliche diplomatische Karriere. Bis zum 29. Juni 1806 vertrat er Hessen-Kassel als Geheimer Rat und Gesandter in Regensburg beim Reichstag.1

Günderrode war Nachfolger des Gesandten von Wülcknitz. Dieser hatte ein gutes Dutzend Voten geführt. Günderrode sollte nach dem Wunsch des Landgrafen ganz frei von weiteren Vertretungen bleiben.2 Bald vertrat Günderrode jedoch vertretungsweise als Gesandter auch Anhalt (1795, 1796, 1799–1803)3, Sachsen-Coburg-Saalfeld (1794, 1795, 1796, 1799), Sachsen-Meiningen (1799), Schweden (1798) und Württemberg (1795 und 1796).4

1802/03 wurde Günderrode Subdelegierter von Hessen-Kassel bei der Reichsdeputation. Der Kurfürst war mit den Ergebnissen der diplomatischen Verhandlungen Günderrodes nicht zufrieden, wie er in seinem Tagebuch festhielt: „Am 24.8.1802 hielt die Reichsdeputation, zu deren Mitglied ich ernannt worden, ihre erste Sitzung ab. Der mir so nachteilige Plan war geboren, während man Waitz (in Paris) allerlei Hoffnungen vorgespiegelt, nur weil man auf (mein) Geld aus ist. Am 28. wird Gf. Wittgenstein nach Berlin gerufen und von dort nach Regensburg gesandt. Ich gebe ihm den Akt von Pyrmont, um ihn dem König vorzulegen. Von Regensburg aus bietet jener mir seine Dienste an, aber was er für mich tat, tut Gott für mich. Günderode, mein Gesandter, sagt zu allem ja, reserviert mir nichts, beträgt sich wie die willfährigste Kreatur. Unterdessen läßt mich Waitz die kurmainzischen Ämter und die Stadt Volkmarsen besetzen, da diese Stadt nicht zum Herzogtum Westfalen gehört...“5 Und im Dezember notierte der Kurfürst, Wittgenstein habe „vielerlei Lügen geschrieben, denen ich nur in einem Punkt Glauben schenkte, nämlich, daß man ihn (Wittgenstein) hier beschuldigte, Waitz und Günderode bestochen zu haben – ein Punkt, der sich im Laufe der Zeit noch aufhellen wird -; gewiß sei freilich, daß es in allen Verhandlungen, die in Paris und Regensburg geführt wurden, eine Menge dunkler Punkte gäbe.“6

Im Januar 1803 wurde Günderrode wegen der erfolgten Entschädigung Darmstadts zu Verhandlungen nach Wien entsandt.7 1803 bis 1806 war Günderrode zugleich Hessen-Kasselischer Gesandter am Kgl. bayerischen Hof, 1803 auch Gesandter am kurfürstlichen Hof Carl Theodors Fürst von Regensburg und Aschaffenburg (accreditiert 11.11.1803).8 1805 bis 1806 war er wiederum beim Kaiser, und zuletzt 1805/06 auch in Salzburg außerordentlicher Gesandter. Günderrode war Mitglied des „Hauptausschusses“ der Reichsdeputation beim Reichstag bis zum Februar 1803.9 In den Verhandlungen zum Reichsdeputationshauptschluss mit Carl von Dalberg bemühte sich Günderrode die Rechte des Hauses Limpurg zu wahren, mußte sich aber mit der Anerkennung der Vereinsrechte und der Stiftungen begnügen.10 Bis 1806 blieb er in Regensburg und zeitweise in Wien und kehrte dann für wenige verbliebene Lebensjahre nach Höchst zurück.11

Der Vater Günderrodes “hinterließ eine zahlreiche Bibliothek, besonders zur hessischen Geschichte gehöriger Schriften“, für die er einen besonderen Anbau am Schloß errichtete und die er als Familien- und öffentliche Bibliothek (18.000 Bände) in Höchst bestimmte.12 Er bildete aus seinem sehr ansehnlichen Grundvermögen zwei Fideikommisse für seine Söhne, wobei das zweite aus dem Besitz seiner Frau zusammengestellt wurde und den Namen Kellner weitertragen sollte.

“In seinen amtlichen Verhältnissen genoß er den Ruf eines durch Kenntnisse, Gewandtheit und Erfahrung in gleichem Grade wie durch strenge Rechtlichkeit und Biederkeit ausgezeichneten Mannes“.13

1789 wurde Philipp Maximilian der Erbe der Herrschaft Höchst an der Nidder und daher Mitglied der Reichsritterschaft Mittelrhein.

Er veröffentlichte anonym kleine Gedichte „in dem Don Quixotischen Geschmack“, die Schriften „Holm, genannt Salomo“ und „Des ehrbaren Ritters Holm Liebes- und Heldengeschichte“.

Seine erste Ehefrau, eine Cousine, starb 1783.14 Die zweite Ehefrau führte ein großes Haus mit zahlreicher Geselligkeit in Höchst. Sogar als 80-jährige Witwe soll sie während der Frankfurter Nationalversammlung große Gesellschaften gegeben haben.15

Lupold von Lehsten


  1. Bittner/Gross III, S. 197; Akten und Instruktionen: Staatsarchiv Marburg 5, 4885; seine Akkreditierung als außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister am Kurerzkanzlerischen Hof in Regensburg: StA Marburg 5, 4820; vgl. B. Erdmannsdörffer/K. Obser, Politische Korrespondenz Karl Friedrichs von Baden, 1783–1806, 1888, II, S. 334 Fußnote; vgl. weiter Hamberger/Meusel, Bd. 2; Strieder V, S. 172 ff.; Ersch und Gruber, S. 129, teilen mit, daß er „zugleich den Gesandtschaftsposten am österreichischen, bairischen und salzburgischen Hofe versah.“
  2. G. Richter, Die Vertretung der thüringischen Staaten beim Regensburger Reichstag, S. 137.
  3. Bittner/Gross III, S. 3.
  4. Bittner/Gross III, S. 384, 386, 408 und 479.
  5. Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden, S. 325.
  6. Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden, S. 327.
  7. Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden, S. 328.
  8. Kurfürstlich-Erzkanzlerischer Staats- und Addreßkalender für das Fürstenthum Regensburg auf das Jahr 1805, S. 30.
  9. Hans Körner, Das Haus Limpurg im Zeitalter Napoléons, in: Limpurger Brief 1969, S. 31.
  10. Hans Körner, Hector Wilhelm von Günderrode (1755–1786). Vater der Dichterin Caroline und seine ‚literarische Familie‘, in: Limpurger Brief 1992, S. 30.
  11. 1805 sollte der kaiserliche Gesandte in Kassel, von Wessenberg, über die Verlängerung der Obligationen verhandeln. Der preußische Gesandte Wittgenstein riet dem Kurfürsten diese von der Bewilligung des Grafentitels für seine Mätresse abhängig zu machen, „und für das Diplom Taxfreiheit zu verlangen“. Günderrode wurde angewiesen, die Sache in Wien zu erledigen, was erst 1811 gelang, vgl. Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden, S. 509.
  12. Adelung II, mit Werksverzeichnis; Meusel IV, S. 463. Die Bibliothek diente insbesondere Philipp Maximilian, Lepel und Stein als Grundlage ihrer staats- und verwaltungspolitischen Wirksamkeit. Sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts an die Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt zunächst als Leihgabe gegeben, 1956 wurde sie vom hessischen Staat angekauft und bildet mit der großherzoglichen Sammlung den Kernbestand juristischer, politisch-historischer Schriften des 18. Jahrhunderts in Darmstadt; vgl. Hans Körner, Dietrich Freiherr von Stein, a.a.O., S. 132.
  13. Schwartz, in: Ersch & Gruber, a.a.O., S. 129.
  14. Ersch und Gruber, a.a.O., S. 127. Nach anderen Angaben erst 1789.
  15. Hans Körner, „... Vaterland auf dem Römerberge und Roßplatz“, in: Limpurger Brief 1962, S. 21.
Zitierweise
„Günderrode gen. von Kellner, Philipp Maximilian Freiherr von“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/129790303> (Stand: 28.11.2023)