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Hessische Biografie

Portrait

Karl Ernst Friedrich Nicolaus Grein
(1881–1957)

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Grein, Karl Ernst Friedrich Nicolaus [ID = 1212]

* 21.11.1881 Darmstadt, † 26.7.1957 Darmstadt, Begräbnisort: Darmstadt Alter Friedhof, evangelisch
Theologe, Pfarrer, Oberkirchenrat
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Wirken

Werdegang:

  • 1899 Abitur am Ludwig-Georgs-Gymnasium in Darmstadt
  • 1899-1904 Studium der Theologie in Halle und Gießen
  • nach theologischem Examen 1904/1905 Militärzeit als Einjährig-Freiwilliger im Leibgarde-Infanterie-Regiment 115 in Darmstadt
  • anschließend Tätigkeit in den Bodelschwingh´schen Anstalten in Bethel
  • nach 2. theologischem Examen in Friedberg 1907 Pfarrassistententätigkeit in Darmstadt und Mainz
  • 1908-1912 Pfarrer in Bretzenheim
  • 1912 Pfarrer in Kaichen
  • 1920-1950 Pfarrer in Arheilgen
  • 1934 Mitglied der Bekennenden Kirche
  • 1936 Mitglied des Landesbruderrats
  • führend am Kirchenkampf und nach 1945 am Wiederaufbau der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) beteiligt
  • 1950-1952 Oberkirchenrat

Lebensorte:

  • Darmstadt; Halle an der Saale; Gießen
Familie

Vater:

Grein, Ernst* Philipp, * Groß-Zimmern 10.10.1833, † Darmstadt 13.5.1888, Hofprediger in Darmstadt

Mutter:

Leydhecker, Julie Franziska Pauline Rosalie Antonie*, * Darmstadt 18.8.1844, † Darmstadt 28.4.1939

Partner:

  • Lucius, Hedwig* Auguste, (⚭ Jugenheim (Rheinhessen) 24.5.1910) * Mainz 18.6.1884, Tochter des Eduard Lucius, Rechtsanwalt in Mainz, und der Luise Göring

Verwandte:

  • Grein, Ernst <Sohn>, 1911-1944, Studium der Theologie, gefallen
  • Grein, Eduard <Sohn>, 1913-1943, gefallen bei Charkow
  • Weidler, Hedwig, geb. Leydhecker <Tochter>, * 1915
  • Grein, Ilse <Tochter>, * 1920
  • Grein, Ernst* Theodor Emil <Bruder>, 1865-1943, Doktor der Medizin, Sanitätsrat, Leiter der Privatklinik für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe in Offenbach
  • Grein, Friedrich* Rudolf <Bruder>, 1868-1902, Pfarrer in Darmstadt
Nachweise

Quellen:

Literatur:

Bildquelle:

http://www.echo-online.de/suedhessen/darmstadt/Wuerdigung-eines-mutigen-Arheilgers;art1231,1085607,C

Leben

Der Name von Karl Grein und seine Person stehen für den kirchlichen Widerstand gegen den Nationalsozialismus und für den Neubeginn der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Grein wurde am 21. November 1881 als Sohn des Hofpredigers Ernst Philipp Grein und der Antonie Grein geb. Leydhecker in Darmstadt geboren. Nach dem Abitur am Ludwig-Georgs-Gymnasium in Darmstadt 1899 studierte er von 1899 bis 1904 Theologie in Halle an der Saale und Gießen (theologisches Examen). Er leistete 1904/1905 seine Militärzeit als sogenannter Einjähriger im Leibgarde-Infanterie-Regiment 115 in Darmstadt ab und war anschließend in den Bodelschwingh´schen Anstalten in Bethel tätig. Nach dem 2. theologischen Examen in Friedberg wurde er 1907 Pfarrassistent in Darmstadt und Mainz, von 1908 bis 1912 in Bretzenheim. 1910 heiratete er in Mainz Hedwig Lucius. 1912 wurde er Pfarrer in Kaichen.

Im Ersten Weltkrieg war er zunächst Festungspfarrer in Mainz, dann Feldgeistlicher der 12. Reserve-Division und anschließend Divisionspfarrer in der 239. Infanterie-Division. 1915 gründete er zusammen mit Emil Fuchs (1874–1971) eine „sociale Vereinigung“ und hegte gewisse Sympathien für die „Religiösen Sozialisten“. 1920 trat er in der damals noch selbständigen Gemeinde Arheilgen bei Darmstadt eine Pfarrstelle an und bekämpfte in Absprache mit dem Gewerkschaftskartell erfolgreich die Kirchenaustritte. Im Oktober 1923 wurde er mit anderen Arheilgen im Zusammenhang der Separatistenkrawalle von der französischen Besatzungsmacht verhaftet und ins Gefängnis nach Wiesbaden verbracht, von wo er erst nach sechs Wochen Haft wieder frei kam.

In den Jahren der Inflation und Massenarbeitslosigkeit wurde das von ihm geführte Arheilger Pfarrhaus zu einer zentralen Anlaufstelle für Bedürftige, getreu nach Greins Motto „Helfen, raten, dienen“. Im Rahmen der innerkirchlichen Spannungen – der Bildung der „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ – gründet sich unter Beteiligung Greins im Dezember 1933 als Gegenpol der „Hessische Pfarrernotbund“, der im Herbst 1934 in die nassau-hessische Bekennende Kirche (BK) überging. Karl Grein wurde mit seinen beiden Söhnen Mitglied der Bekennenden Kirche und gehörte erst dem Bezirksbruderrat und ab 1936 dem Landesbruderrat an. Mit Martin Niemöllerstand er in enger Verbindung.

Trotz sofortiger Dienstbeurlaubung durch den Landesbischof zu Beginn des ‚Arheilger Kirchenkampfes‘ (1934) setzte Grein seinen Dienst mit Unterstützung des überwältigenden Teils der Arheilger Kirchengemeinde fort, so dass es zu mehreren Dienststrafverfahren und zur Anordnung der sofortigen Dienstenthebung kam. Die Kirchenleitung entsandte linientreue Pfarrvikare nach Arheilgen und setzte einen NS-Kirchenvorstand ein. In der Gemeinde seines Sohnes in Affolterbach führte Karl Grein gegen den Willen der Kirchenleitung einen aus der Bekennenden Kirchen kommenden Pfarrassistenten ein. Es folgten Verhöre durch die Gestapo, Hausdurchsuchungen und Redeverbote. Aber auch die immer wieder erneuerten dienstlichen Verfahren konnten die Gottesdienste im Pfarrhaus, nachdem Kirche und Gemeindehaus vernagelt worden waren, nicht verhindern. Grein wurde durch die Kirchenleitung der Religionsunterrichts an den Arheilger Schulen und der Konfirmandenunterricht untersagt, woran sich Grein jedoch nicht hielt. Im Oktober/November 1935 öffnete die Gemeinde Arheilgen gewaltsam das Gemeindehaus und die Kirche.

Am 10. November 1938 protestierte Karl Grein offen gegen die Misshandlung Arheilger Juden während der Pogrome und leistete aktive Hilfe für die Verfolgten. Die Folge waren Schmierereien und verunglimpfende Texte am Arheilger Pfarrhaus: „Judenhirte, Volksverräter, Sabotage gegen die Volksgemeinschaft“. Über die Behandlung der Vorgänge in der Pogromnacht im Konfirmandenunterricht durch Grein beschwerten sich die Kirchenleitung und der Gauleiter bzw. Reichsstatthalter in Berlin beim Nazi-´Kirchenminister´ Kerrl. Spätestens mit Kriegsausbruch 1939 kehrte jedoch in Arheilgen Ruhe ein. Man brauchte die Pfarrer und besonders Persönlichkeiten wie Karl Grein, um den betroffenen Familien die Botschaft von gefallenen Vätern und Söhnen zu übermitteln

Schon 1944 kam es zum Meinungsaustausch Karl Greins mit Kollegen der Bekennenden Kirche im Landesbruderrat über den Neuaufbau einer evangelischen Kirche nach dem verlorenen Krieg. Nach Kriegsende war Karl Grein einer der Pfarrer, der vor allem personell dafür die Weichen stellen sollte – zunächst als Mitglied der vorläufigen Kirchenleitung der Landeskirche Hessen-Darmstadt und Stellvertreter des Präsidenten Dr. Friedrich Müller, nach der Vereinigung der drei hessischen Teilkirchen zur Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (1947) unter Kirchenpräsident Martin Niemöller als hauptamtlicher Oberkirchenrat und als 1. Personalreferent (bis zu Ausscheiden aus dem Dienst 1952).

Karl Grein war in dieser Zeit zudem als Vorstandsmitglied des Landesausschusses der Inneren Mission, als Vorsitzender des Verwaltungsausschusses des Darmstädter Elisabethenstifts, als Vorsitzender des Evangelischen Fürsorgeverbands und als Leiter des Erziehungsheims ´Aumühle´ tätig. Er wurde mit der Wichernplakette und (als erster Pfarrer in Hessen und Nassau) mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Pfarrer Karl Grein starb am 27. Juli 1957 im Darmstädter Elisabethenstift. Er fand sein Grab auf dem Alten Friedhof in Darmstadt.

Helmut Castritius, Arheilgen

Zitierweise
„Grein, Karl Ernst Friedrich Nicolaus“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/1016952295> (Stand: 28.11.2023)