Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

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LDP

  1. Überblick
  2. Der Namensbestandteil „liberal“
  3. Zuspruch der Wähler
  4. Ablehnung der Hessischen Verfassung

1. Überblick

Die Liberal-Demokratische Partei Hessens (LDP) existierte zwischen 1946 und 1948. Sie wurde am 11. Januar 1946 von der amerikanischen Besatzungsmacht als Landespartei lizenziert und bildete gemeinsam mit zwölf anderen liberalen Landesverbänden der drei westlichen Besatzungszonen einen unmittelbaren Vorläufer der am 11./12. Dezember 1948 in Heppenheim and der Bergstraße gegründeten Freien Demokratischen Partei (FDP). Die eigentlichen Voraussetzungen zur Etablierung einer eigenen Partei mit liberaler Ausrichtung in Hessen wurden nach der Konstituierung des Landes Groß-Hessen im November 1945 geschaffen. Die Militärregierung gestattete ab diesem Zeitpunkt den Parteien die Arbeit auf Landesebene. Vorausgegangen war bereits im August 1945 die Erlaubnis der Besatzungsbehörden zur Bildung von Verbänden auf Kreisebene, sodass sich im Herbst des Jahres bereits flächendeckend ein Netz von Orts- und Kreisvereinen gebildet hatte.

Am 29. Dezember 1945 kamen schließlich die Delegierten der Kreisverbände in Frankfurt am Main zwecks Gründung des Landesverbandes zusammen. Die Gründungsversammlung fand im Hotel Baseler Hof statt. Der Frankfurter Kommunalpolitiker, Unternehmer und ehemalige Arbeitsrichter Georg Ludwig Fertsch (1890–1948) wurde zum ersten Landesvorsitzenden gewählt. Die LDP stellte ebenso wie die SPD, die CDU und die KPD im Februar 1946 zwölf Abgeordnete für den neugeschaffenen groß-hessischen „Beratenden Landesausschuss“, der als eine Art Vor-Parlament und provisorische Landesregierung fungierte.

Ab Januar 1946 besaß die LDP Groß-Hessen eine Landesgeschäftsstelle in Frankfurt am Main in der Kaiserstraße 37.

Das Personal des Landesvorstands 1945/46

Der am Jahresende 1945 gewählte Landesvorstand setzte sich außer aus dem Landesvorsitzenden Fertsch aus dem stellvertretenden Landesvorsitzenden Friedrich Schönwandt (Kassel) Hersfeld, dem Schatzmeister Ludwig Schäfer (Frankfurt am Main) und dem stellvertretenden Schatzmeister Nessel (Offenbach am Main) zusammen. Schönwandt wurde bereits im Frühjahr 1946 durch den Landrat August-Martin Euler (Kassel) abgelöst, den die Liberalen in Hessen im Juni 1946 zum Landesgeschäftsführer und im Juni 1947 zum Landesvorsitzenden bestimmten. Mit der Ernennung Eulers zum Landesgeschäftsführer wurde Fertsch bereits 1946 als Landesvorsitzender faktisch entmachtet, denn Euler erhielt den Auftrag, den Landesverband nach außen zu vertreten.

Ihre programmatische Ausrichtung verstand die LDP im Vorfeld der ersten Landtagswahlen in Hessen als Gegenposition zum demokratischen Sozialismus der SPD, zum Marxismus-Leninismus der ein Rätemodell nach sowjetrussischem Vorbild befürwortenden KPD und zum „christlichen Sozialismus“ der CDU (ein Begriff, der im Programm der für die CDU bei ihrer Gründung 1945 maßgeblichen „Kölner Leitsätze“ festgehalten worden war, von dem sich die Partei aber nach kurzer Zeit wieder verabschiedete). Ihrem Selbstverständnis nach sah sich die LDP 1946 als die einzige bürgerliche und (national-)konservative Kraft in Hessen.1 Innerhalb gab es allerdings bei ihrer Gründung des LDP-Landesverbandes regional deutliche ideologische Unterschiede. So

Vom gemäßigten Liberalismus zur bürgerlichen Rechtspartei

Vor der Gründung der FDP im Dezember 1948 teilten sich die liberalen Parteien in zwei konkurrierende programmatische Lager. Während sich die südwestdeutschen Landesverbände und die Liberalen in den Hansestädten sich als konstitutiver Teil des von den Alliierten sanktionierten Lizenzparteiensystems und als Vertreter ihres jeweiligen regionalen bürgerlich-liberalen Milieus verstanden, zugleich aber eine Öffnung für dezidiert rechtsgerichtete Kräfte ausschlossen, vertraten die liberalen Landesorganisationen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und unter dem Vorsitz von August-Martin Euler (1908–1966) auch in Hessen einen national-liberalen, deutlich rechts orientierten Kurs, der sich auch in Hessen „offen für ehemalige Mitläufer des Nationalsozialismus“ zeigte.2

Von Seiten des ab Jahresbeginn 1946 arbeitenden hessischen Landesverbandes wurde durch den ersten Landesvorsitzenden Fertsch aber zunächst eine dezidiert sozial-liberale und gesamtdeutsche orientierte Linie vertreten. Fertsch besaß gute Kontakte zum früheren Reichsinnenminister Wilhelm Külz (1875–1948), der 1945 zum Gründerkreis der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands in Berlin gehörte und im November desselben Jahres den Vorsitz der LDP in der SBZ übernahm. Programmatisch unterstrich man zunächst ein Festhalten an der „Rückkehr zu den christlichen Grundlagen der deutschen Kultur“ und der „Verwirklichung einer neuen sozialen Gesinnung“. Fertsch positionierte den Landesverband kurz nach seiner Gründung sehr bewusst als Partei des breiten Bürgertums, die sich mit einem gemäßigten Liberalismus nicht extrem nach rechts orientierte, zugleich aber auch zum demokratischen Sozialismus der SPD respektablen Abstand hielt.3 Unter der Führung von Euler änderte sich diese Ausrichtung grundlegend. Die hessische LDP gab die gesamtdeutschen Vorstellungen auf und sah sich nun als westdeutscher Verband. Zugleich erfolgte eine Positionierung auf der rechten Seite des liberalen Spektrums. Euler vertrat konsequent die programmatische Linie einer antisozialistischen Sammlungspolitik und einer Mobilisierung bürgerlicher Kräfte rechts von der CDU, die Teilen der LDP in den ersten Jahren nach Kriegsende zu „links“ orientiert war. Mit Blick auf die in Entstehung begriffene Bundesrepubilk sprach sich Euler nicht nur für eine weitgehend von staatlichen Einflüssen freie Wirtschafts- und Sozialverfassung aus, sondern plädierte auch für eine Wiederbewaffnung. Unter seiner Führung erfolgte die programmatische Profilierung der LDP/FDP als bürgerliche Rechtspartei, die innerhalb der westdeutschen Parteienlandschaft bis etwa Mitte der 1950er-Jahre als typisches Merkmal der Liberalen anzusehen war. Lokal oder regional davon abweichende linksliberale Ausrichtungen, die nach der Konstituierung als FDP im Jahr 1948 besonders in Hessen vertreten waren, mochten daran nichts ändern.

2. Der Namensbestandteil „liberal“

In der Frage der Namensgebung teilten die Delegierten nicht die auf Bundesebene wirksamen Bedenken gegen eine offene Führung des Begriffes „liberal“ in der Parteibezeichnung. Dabei trug der hessische Landesverband in der Anfangszeit dieselbe Bezeichnung wie die Liberalen in der Sowjetisch Besetzten Zone. Fertsch äußerte im Mai 1946, dass „der Name ‚Liberal-Demokratische Partei‘ [..] klar und unzweideutig zum Ausdruck [bringt], dass sich die Anhänger der Partei zur liberalen Weltanschauung und zu demokratischer Staatsgesinnung bekennen […]“. Dabei habe sich die Bezeichnung Liberal-Demokratische Partei „[…] überraschend gut und leicht eingeführt“.4

Der Begriff „liberal“ wurde bei der Gründung der FDP 1948 umgangen. Allerdings entzündete sich auf dem Parteitag in Heppenheim am 11. und 12. Dezember eine kontroverse Diskussion um diesen Punkt. Der hessische Landesverband wollte nicht auf den Namensbestandteil „liberal“ verzichten, obwohl die liberalen Mandatsträger im Parlamentarischen Rat und im 1947 konstituierten Frankfurter Wirtschaftsrat bereits als Fraktion „Freie Demokratische Partei“ auftraten. Der Versuch der Delegierten, sich im Rahmen des Parteitags auf die Bezeichnung „Liberale Partei Deutschlands“ zu verständigen scheiterte am vehementen Einspruch von Theodor Heuss (1884–1963), der ultimativ erklärte, dass er eine Partei mit einem solchen Namen nicht als Vorsitzender führen könne.5

3. Zuspruch der Wähler

Bei den zu Jahresanfang 1946 durchgeführten Wahlen zur Bestimmung der kommunalen Gemeinderäte erzielte die LPD ein enttäuschendes Gesamtergebnis von 2,7 Prozent der in 39 Landkreisen am 20. und 27. Januar abgegebenen Stimmen. Bei den im April 1946 durchgeführten Kreistagswahlen trat sie in 23 Kreisen an und errang immerhin 43 Sitze oder vier Prozent der insgesamt vergebenen Mandate in den hessischen Kreisparlamenten. Hatte man bis dahin im Großen und Ganzen nur lokale Achtungserfolge erzielen können (so vereinigte beispielsweise der LDP-Ortsvorsitzende Karl Theodor Bleek bei der Gemeinderatswahl in Marburg im Januar nicht weniger als 40 Prozent der abgegebenen Stimmen auf seiner Person) und auch im Zuge der Wahl zur verfassungsberatenden Landesversammlung im Juni 1946 mit 8,1 Prozent der Stimmen und sechs von insgesamt 90 Sitzen keine einflussreiche Position erlangt, so konnte die LDP diesen Stimmenanteil bei den hessischen Landtagswahlen am 1. Dezember 1946 fast verdoppeln, nämlich auf 15,7 Prozent, womit nunmehr 14 der 90 Sitze auf die liberale Partei entfielen und man hinter SPD und CDU die drittstärkste Kraft im Landtag bildete.

4. Ablehnung der Hessischen Verfassung

Gleichzeitig zu den Wahlen zum ersten Landtag waren die hessischen Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, im Rahmen eines Volksentscheids über die Annahme der hessischen Verfassung abzustimmen. Bei der Wahl machten 73,2 Prozent der Bevölkerung entsprechend von ihrem Wahlrecht Gebrauch. 76,8 Prozent von ihnen folgten der Empfehlung von SPD, CDU und der damals noch zugelassenen KPD und nahmen die Verfassung an. Die LDP sprach sich allerdings gegen die Verfassung aus, vor allem wegen des umstrittenen Sozialisierungsartikels 41, über den gesondert abgestimmt wurde. Dieser Artikel wurde seinerzeit von 72 Prozent der Wähler gutgeheißen. Bei der am gleichen Tag vorgenommenen Wahl zum ersten hessischen Landtag errang die SPD 38 Sitze, die CDU 28, die LDP 14 und die KPD zehn.

Kai Umbach


  1. Vgl. Wedel, Markus: Landtagswahlen 1946 und 1950, Stadt Frankfurt am Main, Institut für Stadtgeschichte: Frankfurt am Main 1933–1945, URL: http://www.ffmhist.de/ffm33-45/portal01/portal01.php?ziel=t_ak_landtagswahlen_1946_1950 (abgerufen am 02.12.2014).
  2. Dittberner, Jürgen: Die FDP: Geschichte, Personen, Organisation, Perspektiven; eine Einführung, 2., überarb. und aktualisierte Aufl., Wiesbaden : VS, Verl. für Sozialwiss., 2010, S. 166.
  3. Vgl. Wedel, Markus: Landtagswahlen 1946 und 1950, Stadt Frankfurt am Main, Institut für Stadtgeschichte: Frankfurt am Main 1933–1945, URL: http://www.ffmhist.de/ffm33-45/portal01/portal01.php?ziel=t_ak_landtagswahlen_1946_1950 (abgerufen am 02.12.2014).
  4. Zit. n. Wedel, Markus: Landtagswahlen 1946 und 1950, Stadt Frankfurt am Main, Institut für Stadtgeschichte: Frankfurt am Main 1933–1945, URL: http://www.ffmhist.de/ffm33-45/portal01/portal01.php?ziel=t_ak_landtagswahlen_1946_1950 (abgerufen am 02.12.2014).
  5. Vgl. Becker, Ernst Wolfgang (Hg.): Theodor Heuss – Erzieher zur Demokratie: Briefe 1945–1949. Herausgegeben und bearbeitet von Ernst Wolfgang Becker, München 2007, S. 450 f., Brief Nr. 171, Anm. 4.
Sachbegriffe
LDP
Einträge
  1. Erste Kommunalwahl in Hessen nach dem Zweiten Weltkrieg, 20. Januar 1946
  2. Beratender Landesausschuss nimmt die Arbeit auf, 26. Februar 1946
  3. Eröffnung des Vorbereitenden Verfassungsausschusses, 12. März 1946
  4. Kommunalwahlen in den größeren Stadtgemeinden in Hessen, 28. April 1946
  5. Wahl zur Verfassungberatenden Landesversammlung, 30. Juni 1946
  6. Konstituierung der Verfassungberatenden Landesversammlung Groß-Hessen, 15. Juli 1946
  7. Verabschiedung der neuen hessischen Verfassung, 29. Oktober 1946
  8. Volksabstimmung bestätigt Verfassung mit großer Mehrheit, 1. Dezember 1946
  9. Wahlen zum Hessischen Landtag, 1. Dezember 1946
  10. Konstituierung des 1. Hessischen Landtags in Wiesbaden, 19. Dezember 1946
  11. Erste Regierungserklärung von Ministerpräsident Stock und Vorstellung des Kabinetts, 6. Januar 1947
  12. Hessischer Landtag bestimmt Mitglieder für den Wirtschaftsrat der Bizone, 19. Juni 1947
  13. Zusammenschluss der liberalen Parteien der Westzonen zur Freien Demokratischen Partei (FDP) in Heppenheim, 11. Dezember 1948