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Einführung des Achtstundentages, Mitte November 1918

Im Zuge der Novemberrevolution wird für das gesamte Deutsche Reich nicht nur das Arbeitsschutzgesetz der Vorkriegszeit wieder in Kraft gesetzt, sondern zudem auch die Einführung des 8-Stunden-Tags in allen Betrieben beschlossen.1 Den Auftakt macht eine amtliche Vorstellung des neuen Regierungsprogramms durch den Rats der Volksbeauftragten. Hier heißt es offiziell: „Spätestens am 1. Januar 1919 wird wird der achtstündige Maximalarbeitstag in Kraft treten. Die Regierung wird alles tun, um für ausreichende Arbeitsgelegenheiten zu sorgen.2 Die Durchsetzung gilt nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen und Kämpfen als eine große Errungenschaft der Gewerkschaften und Arbeiterräte. Das Ende des Ersten Weltkriegs und die Heimkehr vieler Soldaten schürt die Angst vor hoher Arbeitslosigkeit und der Entlassung vieler in der Kriegswirtschaft eingesetzten Arbeiter*innen, die ihre Stelle den Kriegsrückkehrern räumen sollen. Um dem entgegenzuwirken erklären sich nun auch viele Arbeitgeber bereit dazu, den Arbeitstag auf acht Stunden bei vollem Lohnausgleich zu kürzen.3 Schon am 13. November berichtet die Wiesbadener Zeitung von einer Einführung des 8-Stunden-Tags in den Mannheimer Konzernen Lanz und Benz auf Initiative der Arbeitgeber: „Worum früher jahrelang vergebens gekämpft wurde, das wird jetzt ohne große Schwierigkeiten durchgeführt. (...) Den beiden Firmen, die bahnbrechend hier vorgingen, wird man die Anerkennung nicht versagen können, dass sie den Geist der Zeit richtig erfasst haben.4

In den folgenden Tagen werden auch in Hessen die Betriebe auf die neue Arbeitszeitenregelung angepasst. Am 16. November beispielsweise führen die chemischen Werke Brockhuis in Niederwalluf den 8-Stunden-Tag bei gleichzeitiger Weiterbeschäftigung aller Angestellten und der Aufrechterhaltung der Kriegswohlfahrtseinrichtungen ein.5 Im Nassauischen Anzeiger findet sich eine amtliche Bekanntmachung des Arbeiter- und Soldatenrates in Wiesbaden, der den 8-Stunden-Tag bei vollem Lohnausgleich ab dem 18. November für alle Betreibe des Stadt- und Landkreises Wiesbaden sowie den Rheingau- und Untertaunuskreis beschließt.6 Auch für die Betriebe in Marburg wird die neue Arbeitszeitenregelung bekannt gemacht.7 Dabei wird für die Einführung des achstündigen Arbeitstages für alle Betreibe eine Frist bis zum 1. Dezember 1918 gesetzt8 und nochmals darauf hingewiesen, dass ein voller Lohnausgleich verpflichtend ist.9 Kriegsende, Demobilmachung und Novemberrevolution zwingen Arbeitgeber, Maßnahmen zu ergreifen, um einer weiteren Radikalisierung der Arbeiterschaft entgegenzuwirken und die Produktion in den Betrieben aufrechtzuerhalten, für Gewerkschaften und Arbeiter*innen ist das die „Gunst der Stunde10, um die Verkürzung des Arbeitstages endlich durchsetzen zu können.11
(NT)


  1. Schneider, Michael, Streit um Arbeitszeit. Geschichte des Kampfes um Arbeitszeitverkürzung in Deutschland, Köln 1984, S. 98.
  2. Hanauer Anzeiger, Publikationsorgan des Hanauer Arbeiter- und Soldatenrates für den Stadt- und Landkreis Hanau a. M., 14.11.1918: Das Regierungsprogramm.
  3. Schneider, Michael, Streit um Arbeitszeit. Geschichte des Kampfes um Arbeitszeitverkürzung in Deutschland, Köln 1984, S. 99f.
  4. Wiesbadener Zeitung, 13.11.1918, Abend-Ausgabe, S. 2: Volkswirtschaft.
  5. Wiesbadener Zeitung, 17.11.1918, Morgen-Ausgabe, S. 3: Aus Nassau und Nachbargebieten, Niederwalluf.
  6. Nassauischer Anzeiger, 21.11.1918: Amtliche Bekanntmachung des Arbeiter- und Soldatenrates in Wiesbaden.
  7. Oberhessische Zeitung, Tageszeitung für das (früher kurhessische) Oberhessen, 21.11.1918: Einführung des achtstündigen Arbeitstages.
  8. Hessische Landeszeitung, Anzeiger für Oberhessen, 21.11.1918: Einführung des 8stündigen Arbeitstages.
  9. Hessische Landeszeitung, Anzeiger für Oberhessen, 25.11.1918: Bekanntmachung.
  10. Schneider, Michael, Streit um Arbeitszeit. Geschichte des Kampfes um Arbeitszeitverkürzung in Deutschland, Köln 1984, S. 100.
  11. Schneider, Michael, Streit um Arbeitszeit. Geschichte des Kampfes um Arbeitszeitverkürzung in Deutschland, Köln 1984, S. 98-100.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Einführung des Achtstundentages, Mitte November 1918“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/5471> (Stand: 18.10.2021)
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