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ZDF verschiebt Ausstrahlung einer Dokumentation über NATO-Nachrüstung wegen Landtagswahl, 1. März 1987

Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) verschiebt die Ausstrahlung des deutschen Kollektiv-Films „Krieg und Frieden“, der am 9. März gesendet werden sollte. Der zwischen 1980 und 1982 von mehreren Autoren (darunter dem Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger Heinrich Böll (1917–1985) und dem Filmemacher und Fernsehproduzenten Alexander Kluge (geb. 1932)) gedrehte Film dokumentiert die Zusammenhänge und Hintergründe der NATO-Nachrüstung mit nuklearen Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing II, die gemäß den im Doppelbeschluss des Verteidigungsbündnisses vom 12. Dezember 1979 getroffenen Vereinbarungen ab Dezember 1983 stationiert wurden. Grund für die Verschiebung ist nun die Bekanntgabe des vorgezogenen Termins der Wahl zum 12. Hessischen Landtag am 5. April 1987. Der Leiter der ZDF-Hauptredaktion Fernsehspiel und Film Heinz Ungureit (geb. 1931) erklärt dazu, dass der Sender den Film im Vorfeld der Hessenwahl aus der politischen Debatte heraushalten wolle. Die Dokumentation „sei ‚parteiisch‘ für den, der es so verstehen wolle“. Deshalb habe man sich im Einvernehmen mit dem Filmautor Alexander Kluge entschlossen, den ursprünglich vorgesehenen Sendetermin zu streichen und dem Beitrag im Laufe des Jahres einen „besseren Platz“ im Programm des ZDF zuzuweisen. Auf Anfrage betont Ungureit, dass daraus jedoch keinesfalls der Schluss zu ziehen sei, der Sender wolle mit dieser Entscheidung in Wahrheit eine Sendung verhindern, „die eine Parteinahme für die Grünen darstelle“. Ein Teil des Films befasst sich mit dem Schicksal des nahe zur innerdeutschen Grenze in Osthessen gelegenen Dorfes Hattenbach (Landkreis Hersfeld-Rotenburg), das in den Planspielen amerikanischer Militärs Anfang der 1980er Jahre als nukleares Angriffsziel (Bodennullpunkt oder Ground Zero) Modell stand. Ferner zeigt die Dokumentation auch eine Friedensdemonstration in Bonn sowie eine öffentliche Vereidigung von Rekruten der Bundeswehr. Heinrich Böll erdachte einige dramatische Kurzszenen, die zeigen, wie sich einige übriggebliebene Menschen verhalten, nachdem die Erde durch einen Atomschlag unbewohnbar gemacht worden ist. Inszeniert wurden diese Sequenzen vom bekannten Regisseur Volker Schlöndorff (geb. 1939; „Die Blechtrommel“).

Die Entscheidung des ZDF, den Film im Vorfeld der hessischen Landtagswahl nicht zu zeigen, wird von einzelnen Mitgliedern des Bundesvorstands der GRÜNEN kritisiert.
(KU)

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Empfohlene Zitierweise
„ZDF verschiebt Ausstrahlung einer Dokumentation über NATO-Nachrüstung wegen Landtagswahl, 1. März 1987“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4915> (Stand: 1.3.2023)
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