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Wahl des Reichspräsidenten, erster Wahlgang, 29. März 1925

Nach dem überraschenden Tod von Friedrich Ebert am 28. Februar 1925 findet reichsweit die Wahl zum Amt des Reichspräsidenten statt. Das deutsche Staatsoberhaupt wird vom Volk1 für eine Amtszeit von sieben Jahren gewählt, fungiert als Oberbefehlshaber der Streitkräfte, ernennt und entlässt den Reichskanzler, und verfügt über weitgehende Vollmachten, die es ihm ermöglichen, den Deutschen Reichstag als gesetzgebendes Staatsorgan aufzulösen oder dessen Gesetzgebung ergänzen.

Zur Wahl stellen sich der für die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) antretende Hamburger Politiker Ernst Thälmann (1886–1944), der sozialdemokratische Kandidat Otto Braun (1872–1955), Willy Hellpach (1877–1955) für die linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP), der Zentrumspolitiker Wilhelm Marx (1863–1946), Heinrich Held (1868–1938) für die Bayerische Volkspartei (BVP), der Duisburger Oberbürgermeister, vormalige Reichsminister des Innern und Vizekanzler Karl Jarres (1874–1951) als Kandidat des zwischen Deutscher Volkspartei (DVP), Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) und Wirtschaftspartei („Wirtschaftspartei des deutschen Mittelstandes“, WP) gegründeten „Reichsblocks“, sowie der ehemalige Stellvertreter von Paul von Hindenburg (1847–1934) in der Obersten Heeresleitung (OHL) und Hitlerputsch-Teilnehmer Erich Ludendorff (1865–1937) für die erst vor wenigen Wochen wiedergegründete Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP).

Keiner der Bewerber erreicht in diesem ersten Wahlgang die notwendige absolute Mehrheit. Mit deutlichem Abstand zu den anderen Kandidaten erzielen allerdings Karl Jarres und Otto Braun reichsweit beachtliche Ergebnisse (38,8 bzw. 29,0 % der abgegebenen gültigen Wählerstimmen). Am Urnengang beteiligen sich knapp über 27 Millionen Wählerinnen und Wähler, was einer Wahlbeteiligung von 68,9 % entspricht.

Auch in der preußischen Provinz Hessen-Nassau führen der 1923/24 als Reichsinnenminister amtierende DVPler Jarres (36,1 %) und der Sozialdemokrat Braun (32,7 %) das Feld an, gefolgt vom Zentrumskandidaten Marx (18,2 %), Willy Hellpach (7,6 %) und Ernst Thälmann (4,1 %). Abgeschlagen stehen der „Sieger von Tannenberg“ Ludendorff (0,8 %) und der für die dem Zentrum nahestehende BVP angetretene Heinrich Held (0,4 %).

Ein ganz ähnliches Bild zeigen die Resultate im Volksstaat Hessen (Hessen-Darmstadt), wo sich der reichsweit führende Jarres allerdings mit 33,3 % fast vier Prozentpunkte hinter Braun (37,2 %) findet. Wilhelm Marx erzielt als Repräsentant des politischen Katholizismus mit 17,4 % im ganz überwiegend protestantischen Volksstaat immerhin ein Achtungsergebnis. Weit dahinter rangieren Hellpach mit 7,5 % und Thälmann, der im ehemaligen Großherzogtum nur 3,7 % der Wählerinnen und Wähler auf seine Seite ziehen kann. Noch etwas unbedeutender als in der Provinz Hessen-Nassau schneiden hier Ludendorff (0,6 %) und Held (0,3 %) ab.

Der zweite Wahlgang, bei dem eine relative Mehrheit zur Wahl des neuen Reichspräsidenten ausreicht, findet am 26. April 1925 statt. Im Vorfeld einigen sich sowohl die Parteien der Weimarer Koalition (die sich im sogenannten „Volksblock“ zusammenschließende SPD mit dem Zentrum und der DDP) als auch die antirepublikanischen Gegenspieler („Reichsblock“ mit DNVP, DVP, BVP, Bayerischem Bauernbund, Wirtschaftspartei und Deutsch-Hannoverscher Partei) jeweils auf einen gemeinsamen Kandidaten: der Zentrums-Vorsitzende und vormalige Reichskanzler Wilhelm Marx wird für die republikanischen Kräfte ins Rennen gehen, die rechtsgerichteten Parteien stellen den in konservativen Kreisen hoch angesehenen Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg auf. Hindenburg, der bereits 1920 als Kandidat für die Reichspräsidentschaft im Gespräch gewesen war, entscheidet den zweiten Wahldurchgang mit 48,3 % der Stimmen für sich und wird am 12. Mai 1925 als neues Staatsoberhaupt vereidigt. 1932 wird er im Amt bestätigt.
(KU/LV)


  1. Der Sozialdemokrat Ebert (geb. 1871) war am 11. Februar 1919 von der in Weimar tagenden Nationalversammlung zum ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik gewählt worden. Er erlag einer Bauchfellentzündung.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Wahl des Reichspräsidenten, erster Wahlgang, 29. März 1925“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/2240> (Stand: 29.3.2022)
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