Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Große wirtschaftliche Probleme durch harten Wintereinbruch, 1. Februar 1956

In Hessen ist der härteste Wintereinbruch seit 1928/29 zu beklagen. Auf der Wasserkuppe in der Rhön sinkt die Temperatur bis auf -26 °C. Der plötzliche Temperatursturz sorgt teilweise für Stillstand in den Industriebetrieben des Rhein-Main-Gebietes. Seit dem frühen Mittwochmorgen stockt die Gasversorgung zahlreicher Werke, so unter anderem bei der Adam Opel AG in Rüsselsheim, sowie den Adler-Werken, den Farbwerken Hoechst und der Degussa in Frankfurt am Main. Der im Laufe des Tages auf Null fallende Gasdruck im Fernleitungssystem der Ruhrgas AG führt bei Hoechst bereits am Vormittag zum Totalausfall der Produktion. Nachdem im Grunde alle betroffenen Betriebe dazu übergegangen sind, die nur noch stoßweise Verfügbarkeit von Gas ausschließlich für den „Warmhaltebetrieb“ zu nutzen, entschließen sich die Opel-Werke drei Viertel ihrer Gesamtbelegschaft von 25.000 Mann für Donnerstag in Urlaub zu schicken. Versorgt werden die großen Industriebetriebe im Rhein-Main-Gebiet aus den Kokereien des Ruhrgebietes, die den Brennstoff über ein etwa 540 Kilometer langes Leitungssystem zuführen. Dem Betreiber Ruhrgas AG zufolge werden die Leitungen durch Kälteeinwirkung jedoch nicht beeinträchtigt. Der Ausfall ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass die Gas-Produktionsstätten an der Ruhr dem eisigen Ostwind wenig entgegenzusetzen haben. Ob Flüssigkeiten führende Rohre, Löschtürme, Gleisanlagen oder die Kohlen selbst, alles erstarrt in frostigen Panzern. Zu den vom Ferngas der Ruhrgas AG versorgten und jetzt abgeschnittenen Betrieben im Rhein-Main-Gebiet gehören auch die Glashütte Hattersheim, die Hessen-Nassauische Gas AG, das Werk der Keramische Werke AG (Keramag) in Flörsheim sowie weitere Industrieunternehmen in Bad Homburg, Bad Soden und Schwalbach. Überdies sind etwa tausend Familien in den Städten Darmstadt und Gießen gezwungen, ihre Wohnungen behelfsmäßig zu beheizen, da Teile dieser Kommunen ebenfalls von der Ruhrgas AG beliefert werden.
Insgesamt sind etwa dreißig große Betriebe in Hessen vom Ausfall der Industriegasversorgung betroffen. Besonders drastisch bedroht die Situation die Glasindustrie (Oberursel), da die bei der Glasherstellung benutzten Schmelzapparate ohne kontinuierliche Wärmezufuhr schweren Schaden nehmen können. Dem hessischen Ministerium für Wirtschaft und Verkehr sind angesichts der Lage die Hände gebunden: an eine etwaige Kontigentierung der Gaszufuhr sei angesichts des Totalausfalls nicht zu denken. Einige Betriebe in Frankfurt, darunter die Adlerwerke und die Alfred Teves GmbH, hätten jedoch die Möglichkeit, sich mit Stadtgas zu behelfen. Tatsächlich können die Maingas-Werke in Frankfurt ihre Gasproduktion weitgehend störungsfrei fortsetzen.
(OV/KU)

Belege
Empfohlene Zitierweise
„Große wirtschaftliche Probleme durch harten Wintereinbruch, 1. Februar 1956“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/1058> (Stand: 9.12.2022)
Ereignisse im Januar 1956 | Februar 1956 | März 1956
Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29