Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Historisches Ortslexikon



Stadt Darmstadt

Die Bearbeitung der Siedlungen im Bereich der Stadt Darmstadt umfasst die Gebiete der zum 1. Januar 1977 gebildeten kreisfreien Stadt, die heute aus 9 Stadtteilen besteht. Im Rahmen der Neugliederung wurde die Gemeinde Wixhausen aus dem Landkreis Darmstadt aus- und in die kreisfreie Stadt Darmstadt eingegliedert, während der Darmstädter Stadtbezirk St. Stephan zur Stadt Griesheim (Landkreis Darmstadt-Dieburg) geschlagen wurde. Über die → Erweiterte Suche (Auswahlfeld Altkreis) lässt sich der Zustand der seit 1938 → kreisfreien Stadt Darmstadt im Stichjahr 1961 rekonstruieren.

Limburg-Weilburg: Karte mit Gemeinde- und Gemarkungsgrenzen

Kartengrundlage: Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation (HVBG)
Kartenbearbeitung: Melanie Müller-Bering, HLGL

Die geographische Lage Darmstadts ist durch die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Naturräumen gekennzeichnet. Während der Westen des heutigen Stadtgebietes der Oberrheinischen Tiefebene zuzurechnen ist, hat der Süden mit dem Stadtteil Eberstadt Anteil an der Bergstraße. Im Südosten wird das Gebiet vom Vorderen Odenwald erfasst, an den sich nordöstlich das Messeler Hügelland anschließt. Die nördlichen Stadtteile Arheilgen und Wixhausen sind wiederum naturräumlich der Untermainebene zuzurechnen. Darmstadt wird nur von dem unbedeutenden Darmbach durchflossen, während die Modau den südlichen Stadtteil Eberstadt durchfließt. Bis zur Industrialisierung wurde im Stadtgebiet überwiegend Landwirtschaft und Weinbau betrieben.

In der Römerzeit ist keine strukturierte Erschließung des späteren Stadtgebietes von Darmstadt nachweisbar. Anders als die späteren Stadtteile, Nachbargemeinden bzw. -städte Dieburg, Eberstadt, Groß-Gerau, Pfungstadt und Weiterstadt taucht Darmstadt selbst relativ spät in der schriftlichen Überlieferung auf, was daher zusammen mit der insgesamt spärlichen archäologischen Fundsituation gegen eine frühe Besiedlung des heutigen Stadtgebietes spricht.

Darmstadt, in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts erstmals in den Schriftquellen genannt, entwickelte sich aus einer kleinen dörflichen Siedlung, die sich in den Schriftquellen erst mit der Übernahme der Herrschaft durch die Grafen von Katzenelnbogen greifen lässt. Diese konnten seit dem 11. Jahrhundert Rechtsansprüche an verschiedenen Orten im Umkreis von Darmstadt an sich bringen und letztlich zu einer größeren Herrschaft zwischen Rhein, Main und Odenwald, der sogenannten Obergrafschaft Katzenelnbogen, verdichten. Hierzu zählten in der näheren Umgebung u.a. Arheilgen, Griesheim, Groß-Gerau, Pfungstadt, Ober-Ramstadt, Reinheim, Seeheim und Weiterstadt. Darmstadt gehörte vermutlich zu dem ehemaligen Königshof Groß-Gerau, den die Grafen von Katzenelnbogen in der Nachfolge der Herren von Dornberg seit dem späten 12. Jahrhundert als Lehen der Bischöfe von Würzburg erhielten. Im 13. Jahrhundert errichteten sie in Darmstadt eine Wasserburg, nutzen die Anlage aber zunächst nur gelegentlich als Nebenresidenz. 1330 erfolgte die Verleihung des Privilegs zur Stadtbefestigung durch Kaiser Ludwig den Bayern, die auf eine bewusste Entscheidung von Graf Wilhelm für diesen Standort zurückzuführen ist. Ein Wochen- und ein Jahrmarkt wurden mit dem Recht der Reichsstadt Frankfurt bewidmet. 1369 erfolgte die Loslösung Darmstadts von der Pfarrei Bessungen. Ansätze zur Entwicklung Darmstadts zum Hauptort der Obergrafschaft werden allerdings erst unter den letzten Grafen von Katzenelnbogen erkennbar.

Bezeichnend für die geringe Bedeutung des späteren Stadtgebiets Darmstadt im Mittelalter ist, dass es – anders als etwa im benachbarten Dieburg – keine Klosterniederlassung gab. Als bedeutendste Grundherren sind neben dem Hochstift Würzburg die Herren von Dornberg in Bessungen, Kloster Lorsch in Eberstadt, Kloster Seligenstadt in Arheilgen sowie das Zisterzinserkloster Eberbach in Wixhausen und einem Wirtschaftshof in Gehaborn belegt.

Mit dem Aussterben des Grafenhauses gelangte die Obergrafschaft Katzenelnbogen 1479 geschlossen an die Landgrafschaft Hessen. Nach dem Tode Landgraf Philipps 1567 und der Teilung der Landgrafschaft bildete sie den Kern des Territoriums Hessen-Darmstadt. Das Schloss in Darmstadt, zunächst nur Nebenresidenz, wurde unter Landgraf Georg I. zur Residenz ausgebaut. Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts erfolgten zahlreiche Stadterweiterungen, u.a. die Alte Vorstadt (ab 1590), die Neue Vorstadt (ab 1695) sowie im Westen und Süden die sogenannte Mollerstadt (ab 1791).

Von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges waren Darmstadt sowie die späteren Stadtteile Bessungen, Arheilgen und Wixhausen stark betroffen und wurden durch wiederholte Belagerungen, Brandschatzungen und Plünderungen in ihrer Entwicklung zurückgeworfen.

Die napoleonische Zeit und die Auflösung des Alten Reiches erbrachten der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, seit 1806 Großherzogtum, beträchtliche Gebietszugewinne. Bis zur Herauslösung des Stadtkreises aus dem Landkreis Darmstadt 1938, die der Industrialisierung sowie dem starken Bevölkerungszuwachs der Großstadt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Rechnung trug, gehörte Darmstadt zum gleichnamigen, 1832 gebildeten Landkreis (s. Landkreis Darmstadt-Dieburg), dessen Hauptort es war. Nach der Auflösung des Großherzogtums Hessen wurde Darmstadt 1919 Hauptstadt des Volksstaates Hessen. Durch die Eingemeindung von Bessungen (1888), Arheilgen und Eberstadt (1937) wurde das Stadtgebiet erweitert.

Darmstadt als Residenz und Hauptstadt des neu erhobenen Großherzogtums gewann im Laufe des 19. Jahrhunderts durch ambitionierte Bauprojekte, die u.a. mit dem Wirken des Architekten und Stadtplaners Georg Moller als großherzoglichem Hofbaudirektor verknüpft sind, an Attraktivität. Hinzu kamen 1877 die Gründung der Technischen Universität sowie die Errichtung einer Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe als Zentrum des Jugendstils. Starke Zerstörungen erlitt die Stadt im 2. Weltkrieg vor allem in der sogenannten Brandnacht vom 11. zum 12. September 1944, in der über drei Viertel der Kernstadt zerstört wurden. Die Jahrzehnte nach dem Krieg waren maßgeblich durch fast vollständigen Wiederaufbau, Stadterweiterung und ausgedehnte Verkehrsplanung gekennzeichnet.

Für die Bearbeitung der Stadt Darmstadt wurden als grundlegende Werke das Hessische Ortsnamenbuch, Wagner, Wüstungen im Großherzogthum Hessen, Provinz Starkenburg, das Stadtlexikon Darmstadt, der Band Darmstadts Geschichte und ferner die im Rahmen der Vorarbeiten zum Geschichtlichen Atlas von Hessen entstandene Publikation Demandt, Kirchenorganisation verwendet. Herangezogen wurde außerdem der Band Die Inschriften der Stadt Darmstadt und der Landkreise Darmstadt-Dieburg und Groß-Gerau.

Für die Angaben zum Stichjahr 1787 wurde auf die Arbeit von Walter Wagner über Das Rhein-Main-Gebiet vor 150 Jahren zurückgegriffen, für die folgende Zeit auf das Historische Gemeindeverzeichnis für Hessen sowie auf das Historische Ortsverzeichnis Großherzogtum und Volksstaat Hessen. Neben den einschlägigen Quelleneditionen, allen voran die Regesten der Grafen von Katzenelnbogen 1060-1486, wurde im Zuge der Materialsammlung in begrenztem Maße auch die archivalische Überlieferung berücksichtigt.

Großer Wert wurde auf die Erarbeitung der topographischen Ortsbeschreibungen gelegt, die, wo möglich, auf Autopsie beruhen. Die Erfassung von älteren Baudenkmälern sieht das Schema des Ortslexikons nicht vor. Hier genügt der Verweis auf das 2008 von Folkhard Cremer neu aufgelegte Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler (Hessen) von Georg Dehio, auf den vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen herausgegebenen Band Kulturdenkmäler in Hessen, Stadt Darmstadt sowie auf den Band Die Kunstdenkmäler des Landkreises Dieburg.

Die statistischen Angaben zu den Einwohner- und Häuserzahlen sowie der Flächennutzung wurden, sofern nicht anders vermerkt, der Hessischen Gemeindestatistik und dem Werk Das Großherzogthum Hessen von Philipp Alexander Ferdinand Walther entnommen.