Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Gehe zu Treffer
 

Erster Start von der Startbahn 18 West des Frankfurter Flughafens, 12. April 1984

Ohne offizielle Feierlichkeiten wird die seit Jahren von Gegnern und Befürwortern erbittert umstrittene Startbahn 18 West des Frankfurter Flughafens in Betrieb genommen. Ein Airbus der Lufthansa mit Ziel Paris ist das erste Flugzeug, das von der umstrittenen Startbahn West des Frankfurter Flughafens abhebt. Nach Angaben der Flughafen-Betreibergesellschaft starten auf der vier Kilometer langen, exakt von Nord nach Süd ausgerichteten Startbahn am ersten Tag insgesamt 108 Maschinen.

Mit der Eröffnung der Startbahn 18 West für den Flugverkehr sind verstärkte Maßnahmen der Polizei zum Objektschutz verbunden, nachdem besonders Flugsicherungseinrichtungen außerhalb des eigentlichen Flughafengeländes zum Ziel von Anschlägen geworden waren.1

Zustimmung zum Bau auf der begleitenden Pressekonferenz

Im Rahmen einer Pressekonferenz, die anlässlich der Eröffnung des Flugbetriebs stattfindet, bezeichnen Vertreter unterschiedlicher Luftfahrteinrichtungen das Vorhandensein der neuen Startpiste einhellig als Fortschritt für den Flughafen. Hans Achtnicht, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen bezeichnet die immer wieder hinausgeschobene Inbetriebnahme der Startbahn West als „Sieg der Vernunft“: in der gut zwei Jahrzehnte überspannenden Phase der Planung und gerichtlichen Anfechtung des Bauvorhabens sei das jährliche Fluggastaufkommen in der Bundesrepublik von 13 auf 48 Millionen angestiegen. Zustimmung findet diese Sicht bei Werner Merz, dem Sprecher der in der Bundesrepublik vertretenen Fluggesellschaften. Seiner Meinung nach hätte die Startbahn schon Jahre früher gebaut werden müssen.

Werner Utter (1921–2006), Vorstandsmitglied der Lufthansa, hebt den jetzt möglichen Abbau von Wartezeiten für Besatzungen und Passagiere als praktischen Nutzen der Startbahn 18 hervor. Auch Flugkapitän Hein K. Gering, hauptverantwortlicher Flugplankoordinator für die deutschen Airports, rückt dagegen die durch die zusätzliche Startpiste vergrößerte Flexibilität in der Verkehrsabwicklung ins Licht. Damit besitze der Rhein-Main Flughafen besonders zu Verkehrsspitzenzeiten wesentlich verbesserte Möglichkeiten, die Nachfrage nach Flugverbindungen zu bedienen.

Erich Becker (1920–2003), Vorstandschef der Frankfurter Flughafen AG (FAG), weist darauf hin, dass die Zahl der Starts und Landungen auf dem Flughafen allein im ersten Quartal des laufenden Jahres um 3,3 Prozent gestiegen sei, und es angesichts der rapiden Aufwärtsentwicklung der Flugverkehrs in Deutschland „zeitlich und sachlich keine Alternative“ zum Flughafenausbau gebe.2 Bilanzierend stellt er den zur Erweiterung der Flugbetriebsflächen angerichteten Umweltschäden Ausgleichsmaßnahmen gegenüber: zwar seien nicht weniger als 195 Hektar Wald eingeschlagen worden, dafür wurden aber 66 Hektar an anderer Stelle bereits wieder aufgeforstet. Weitere 74 Hektar stünden zur höhenbegrenzten Wiederaufforstung bereit, für zusätzliche 137 Hektar Aufforstungsgelände seien Verträge abgeschlossen. Der Präsident der Bundesanstalt für Flugsicherung Heinz Voß verspricht, dass die Mitarbeiter seiner Behörde alle Anstrengungen unternehmen werden, um die Lärmbelästigung der Bevölkerung in erträglichen Grenzen zu halten.

Druckerstreik am Folgetag geplante Absicht der Startbahngegner?

Im Zusammenhang mit dem am 12. April begonnenen Arbeitskampf in der Druckindustrie zur Durchsetzung der 35-Stunden-Woche argwöhnt die Frankfurter Allgemeine Zeitung zwei Tage nach der Startbahneröffnung: „Als sich während der Pressekonferenz herumsprach, das Nichterscheinen der Frankfurter Zeitungen am nächsten Morgen werde die öffentliche Widerspiegelung des ersten Flugbetriebs auf der Startbahn zusätzlich reduzieren, gab es Spekulationen, ob der von der Gewerkschaft für den Druckerstreik gewählte Termin so gänzlich zufällig zustande gekommen sei. Die hiesige Journalisten-Union in der IG Druck hatte vor geraumer Zeit in sehr ungewöhnlicher Weise ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Startbahnprojekt mitgeteilt.3
(KU)


  1. Unbekannte Täter zerstören im August 1980 einen innerhalb des umzäunten und bewachten Flughafengeländes aufgestellten Landekurssender. Im November 1981 brennt ein Holzgebäude mit Einrichtungen des Instrument-Lande-Systems (ILS) und einer Funkfeueranlagen an der Isenburger Schneise, vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.11.1981, S. 35. Am selben Ort erfolgt im Mai 1982 ein erneuter Brandanschlag, vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.5.1982, S. 29.
  2. Tatsächlich verzeichnet die Statistik der Flughafenbetreibergesellschaft am Jahresende 1984 einen gegenüber den vier vorangegangenen Jahren überdurchschnittlichen Anstieg der Fluggastzahl und des beförderten Luftfrachtguts, die Anzahl der Flugbewegungen – Starts und Landungen – weist hingegen nur einen durchschnittlichen (keinesfalls sprunghaften) Zuwachs auf. Vgl. Wikipedia: Verkehrszahlen des Flughafens Frankfurt am Main (eingesehen am 24.8.2012); Fraport AG: Investor Relations: Meldungen & Publikationen: Sonstige Publikationen: Luftverkehrsstatistik 2011 (eingesehen am 24.8.2012).
  3. Alle Zitate nach Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.4.1984, S. 38: „18 West“: Verstärkter Schutz für den Flughafen: Neue Startbahn in Betrieb / Luftfahrt spricht von Sieg der Vernunft / Aufforstungen.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Erster Start von der Startbahn 18 West des Frankfurter Flughafens, 12. April 1984“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/1485> (Stand: 26.11.2022)
Ereignisse im März 1984 | April 1984 | Mai 1984
So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.So.Mo.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30